Philipp Rauh/Livia Prüll
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
24. Juni 2015
DOI: 
10.15500/akm.24.06.2015

Einleitung

Das Erleben psychisch belastender Situationen gehört zum Alltag von Soldaten in kriegerischen Auseinandersetzungen. Dass diese darauf mit anhaltenden seelischen Störungen reagieren, ist spätestens seit dem Ersten Weltkrieg bekannt.1 Seitdem hat jeder Krieg eine ihm eigene Konstellation an psychischen bzw. psychosomatischen Symptomen hervorgebracht.2 Während die Militärpsychiater im Ersten Weltkrieg mit dem Phänomen der Kriegsneurose konfrontiert wurden, traten derartige Krankheitsbilder bei den Wehrmachtssoldaten kaum auf. Stattdessen gab es im Zweiten Weltkrieg eine Vielzahl an Organneurosen. In der Folge des Vietnamkrieges ist seit den 1980er Jahren vornehmlich von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) die Rede.3 Seit dem Beginn des militärischen Einsatzes in Afghanistan 2001 kehren zunehmend auch deutsche Soldaten mit dieser Symptomatik aus dem Militäreinsatz zurück. Insbesondere die PTBS-Diagnose weist nachdrücklich darauf hin, dass mit dem Ende der Kampfhandlungen das Thema der psychischen Kriegsfolgen niemals abgeschlossen ist.4 Alle Nachkriegsgesellschaften müssen sich mit den anhaltenden psychischen Problemen der heimgekehrten Soldaten auseinandersetzen.

Der vorliegende Beitrag möchte den Umgang mit seelisch erkrankten Soldaten während und nach den beiden Weltkriegen in Deutschland, und somit in den verschiedenen politischen Systemen des Kaiserreichs, der Weimarer Republik, des „Dritten Reichs“ sowie der Bundesrepublik beleuchten. Im Zentrum stehen dabei die Diskussionen um die Kriegsdienstbeschädigung, stellen sie doch einen wesentlichen Indikator für die Einstellung von Politik und Ärzteschaft den Kriegsveteranen gegenüber dar. Lässt sich dieser Befund prinzipiell für alle versehrten Veteranen erheben, so nimmt diese Frage bei den psychisch kranken Soldaten eine besondere Rolle ein. Da die verletzte Seele keine nach außen hin sichtbare Wunde darstellt, mussten die davon betroffenen Kriegsteilnehmer stets besonders hart um ihre „Ehrenrente“ kämpfen.

An der Entscheidung darüber, ob es tatsächlich ihr Kriegsdienst war, der die Kombattanten psychisch krank machte, waren Psychiater federführend beteiligt. Ihre Haltung in Entschädigungsfragen soll im Folgenden eingehend betrachtet werden. Dabei soll einerseits herausgearbeitet werden, dass die militärpsychiatrischen Konzepte niemals im wissenschaftlichen Elfenbeinturm entwickelt wurden, sondern in hohem Maße von gesundheits-, sozial-, finanz- wie gesellschaftspolitischen Entwicklungen in Deutschland abhängig waren.5 Andererseits wird danach gefragt, inwiefern die entwickelten wissenschaftlichen Theorien umgehend oder zeitverzögert in die psychiatrische Begutachtungspraxis Eingang fanden.

Den Ausgangspunkt dieser Studie bildet das epidemische Aufkommen der so genannten Kriegsneurose im Ersten Weltkrieg, wurden hier doch von psychiatrischer Seite aus Weichenstellungen vorgenommen, die – wie zu zeigen sein wird – den Umgang mit psychisch kranken Soldaten über mehrere Jahrzehnte hinweg nachhaltig prägen sollten.

Die Geburtsstunde der herrschenden psychiatrischen Lehre im Ersten Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg offenbarte das Destruktionspotenzial moderner Kampfhandlungen auf eine zutiefst verstörende Art und Weise. Vor allem das passive Ausharren und die permanente Todesbedrohung in den Schützengräben während des Stellungskrieges an der Westfront werden für den massenhaften Ausbruch einer neuen psychischen Erkrankung verantwortlich gemacht.6 Bereits kurz nach Kriegsbeginn reagierte eine Vielzahl der Soldaten auf das Erlebte mit Lähmungen einzelner oder mehrerer Gliedmaßen, sie wurden blind oder taub, zuckten, zitterten, verstummten oder brachen psychisch zusammen. Die Militärpsychiatrie fasste diese Symptome unter Bezeichnungen wie „Kriegsneurose“, „Kriegshysterie“ oder „Nervenschock“ zusammen.7 Zunächst von dem massenhaften Auftreten dieses Krankheitsphänomens vollkommen überrascht, entwickelten einzelne Psychiater und Neurologen mit der Zeit schlüssige Konzepte zu Ursache, Diagnostik und Therapie der Kriegsneurotiker. Die unterschiedlichen psychiatrischen Theorien wurden dann im September 1916 auf dem Fachkongress des „Deutschen Vereins für Psychiatrie“ und der „Gesellschaft Deutscher Nervenärzte“ in München präsentiert und diskutiert.8

1916 war für die deutsche Militärmedizin das Jahr der Fachtagungen. Neben dem Fachkongress der Militärpsychiater fanden in diesem Jahr noch die Kriegstagungen der Internisten, Pathologen und Chirurgen statt.9 Auf diesen Kongressen sollten die entscheidenden Weichenstellungen für die Ausrichtung der einzelnen medizinischen Fachrichtungen im Krieg vorgenommen werden. In den Debatten war jedoch nicht zwangsläufig die Frage nach dem Wohl bzw. der Heilung der Soldaten erkenntnisleitend. Die tagenden Mediziner zogen stattdessen vorrangig militärische oder ökonomische Erfordernisse in Betracht. Der Umgang mit den Patienten sollte, so die übereinstimmenden Forderungen von Staat, Militär und medizinischem Establishment, in erster Linie von den zum Erreichen der Kriegsziele notwendigen Maßnahmen diktiert werden.10

Inhaltlicher Schwerpunkt des militärpsychiatrischen Kongresses waren die Diskussionen um die Ätiologie der Kriegsneurose, das heißt der Erklärung ihrer Entstehung. Hier traten bekannte Psychiater wie Robert Gaupp (1870-1953), Max Nonne (1861-1959) oder auch Karl Bonhoeffer (1868-1948) gegen das Erklärungsmodell der traumatischen Neurose des Berliner Neurologen Hermann Oppenheim (1857-1919) an.11 Seine Theorie, die Oppenheim bereits in den 1880er Jahren entworfen hatte und während des Ersten Weltkrieges wieder aufnahm, um sie auf die Entstehung der Kriegsneurose zu übertragen, besagte, dass die nervösen Symptome eine eigene, abgrenzbare diagnostische Krankheitseinheit darstellten. Seinem Dafürhalten nach lag der Kern der Erkrankung in nicht sichtbaren mikroskopischen Veränderungen des Gehirns oder zentralen Nervensystems, und zwar bedingt durch die seelisch belastende Unfallerfahrung.12

Im Gegensatz zu Oppenheims primär somatischem Erklärungsmodell, das einen kausalen Zusammenhang zwischen Kriegserlebnis und Ausbruch der seelischen Erkrankung durchaus anerkannte, sahen seine Kontrahenten den Grund für die psychischen Symptome in dem fehlenden Willen der „Kriegshysteriker“, den Frontalltag auszuhalten, und attestierten ihnen eine oftmals unbewusste Flucht in die Krankheit. Eine Verbindung zwischen anhaltendem seelischen Leiden und konkretem Kriegserleben schlossen sie aus. Sie betonten in diesem Zusammenhang vielmehr die erbliche Belastung der Betroffenen, darüber hinaus ihre innere Abwehr gegen den Kriegsdienst sowie ihre gemütslabile Konstitution.13

ie Verfechter des psychogenen Erklärungsansatzes sollten sich auf dem militärpsychiatrischen Kongress in München gegenüber ihren Kontrahenten klar und deutlich durchsetzen. Oppenheim wiederum sah sich auf der Münchener Tagung – so der Hamburger Neurologe Max Nonne im Rückblick – „in seiner Auffassung der ‚traumatischen Neurose‘, die er auf die anatomische Folge des Traumas zurückführte, gänzlich isoliert“.14 Doch was waren die Gründe für diesen psychiatrischen Richtungswechsel?

Ein wichtiger Grund ist in der Entstehungsgeschichte der traumatischen Neurose zu sehen. Das Modell Oppenheims trat zum ersten Mal im Zuge der 1889 beschlossenen Ausweitung des Unfallversicherungsgesetzes auf traumatische Arbeitsunfälle in Erscheinung. Arbeiter konnten von da an einen Rentenanspruch geltend machen, wenn ein Unfall sie nervlich oder geistig arbeitsunfähig gemacht hatte. Allerdings stand das Gros der Ärzteschaft der Aufnahme dieser Fälle in die Unfallversicherung von Beginn an skeptisch gegenüber, sah sie in ihr doch die Gefahr, dass durch die in Aussicht gestellte Rente der Gesundungswille des verletzten Arbeiters gehemmt würde. Die Folge sei eine nachhaltige „Verweichlichung“ der Arbeiterschaft und die „Züchtung“ einer Vielzahl von „Rentenneurotikern“. Stattdessen schrieben sie die Unfallursache eher der vermeintlich schwächlichen Konstitution des Lohnempfängers zu, in der Folgezeit nicht selten flankiert von rassenhygienisch motivierten Mutmaßungen über eine „minderwertige Erbanlage“ des unfallgeschädigten Arbeiters.15 Und genau aus dieser Entwicklungslinie heraus erklärt sich die Abneigung vieler Psychiater gegenüber dem Erklärungsansatz Oppenheims. Ihrer Ansicht nach würde das Konzept der traumatischen Neurose auch auf dem militärischen Sektor einer schnellen Rekonvaleszenz der Kriegsneurotiker diametral entgegenstehen. An Stelle einer zügigen Wiedereingliederung in die Truppenverbände würden die psychisch kranken Soldaten der Armee verloren gehen und mit ihren Rentenansprüchen zudem die Staatsfinanzen belasten.16

An den Diskussionen über den Umgang mit den Kriegsneurotikern zeigt sich, wie stark rassenhygienische Motive bereits während des Ersten Weltkriegs den psychiatrischen Diskurs bestimmten.17 Die deutsche Rassenhygiene, deren Entwicklung bis weit in die 1930er Jahre hinein im Kontext der internationalen Eugenik-Bewegung zu verstehen ist, hatte ihren Ausgangspunkt in den Degenerationsängsten des späten 19. Jahrhunderts.18 Die damaligen Diskussionen kreisten länderübergreifend um die Sorge, dass Alkohol, Syphilis sowie die Ausschaltung der natürlichen Selektion durch die moderne Hygiene und Krankenversorgung die natürliche Evolution konterkarieren und zu einer rapiden Verschlechterung des kollektiven Erbgutes eines Volkes führen würden.19 Aus dieser als bedrohlich empfundenen Situation leiteten die Rassenhygieniker bzw. Eugeniker ihre Forderungen ab, durch (finanzielle) Anreize die Fortpflanzung der Erbgesunden zu fördern sowie durch repressive Maßnahmen, wie zum Beispiel Heiratsverbot oder Sterilisation, die Fortpflanzung der „erblich Minderwertigen“ einzugrenzen, um damit den nationalen Genpool entscheidend zu verbessern.

Bereits am Vorabend des Ersten Weltkrieges hatten rassenhygienische Lösungsansätze Eingang in die Medizin gefunden. Ein Befund, der zuvorderst für die Psychiatrie zu erheben ist, avancierte diese doch zur bevorzugten Referenzwissenschaft der Rassenhygieniker. Durch das massenhafte Auftreten der Kriegsneurotiker fühlten sich viele Psychiater in ihrem Degenerationstheorem bestärkt.20 Denn anders als noch zu Beginn erhofft, bewirkte der Erste Weltkrieg mitnichten eine „Reinigung der nervösen Schwäche und Kraftlosigkeit der Männer durch das Stahlbad des Krieges“, sondern erwies sich im Gegenteil durch die hohen Verluste an „erbtüchtigem Menschenmaterial“ als eine Gefahr für die angestrebte „Volksaufartung“.21

In Bezug auf den militärpsychiatrischen Kongress wäre es jedoch verkürzt, die Gegenspieler Oppenheims lediglich als Rassenhygieniker und reaktionäre Kritiker des Sozialstaates abzustempeln. Es war eine konzeptionell bemerkenswert vielschichtige Allianz, die sich in München im Kampf gegen die traumatische Neurose zusammenschloss. Zu ihr zählte mit Robert Gaupp sicherlich einer der innovativsten Psychiater dieser Tage.22 Der Tübinger Psychiater sah sich durch die Betonung der seelischen Faktoren bei Entstehung und Verlauf der Kriegsneurose in seiner Ansicht bestärkt, dass die Psychiatrie nicht nur ein Zweig der naturwissenschaftlichen Medizin sei, sondern es darüber hinaus auch mit der Erforschung der psychischen Zusammenhänge zu tun habe.23 Aus diesem Grund trat Gaupp, der sich stets bemühte, neben den biologischen Parametern auch die psychologischen Aspekte psychischer Störungen hervorzuheben, in die Koalition gegen Oppenheim ein. Er repräsentierte somit eine Gruppe zumeist psychotherapeutisch orientierter Psychiater, die sich von den Beschlüssen der Münchener Tagung eine Aufweichung des naturwissenschaftlichen Dogmatismus innerhalb der Psychiatrie erhoffte.24

Der neue Erklärungsansatz war noch aus einem weiteren Grund sehr attraktiv. Anders als beim Konzept der traumatischen Neurose sahen die Vertreter der psychischen Genese gute Aussichten, den Kriegsneurotiker wieder fronttauglich zu therapieren. Ging Oppenheim noch von einem determinierten, kaum zu beeinflussenden Krankheitsprozess aus, so gaben sich Gaupp und seine Unterstützer von einem psychologisch beeinflussbaren Verlauf und guten Heilungschancen überzeugt. Der große Reiz, den diese Heilsperspektive auf die Psychiater ausübte, wird insbesondere dann nachvollziehbar, wenn man den Legitimationsdruck berücksichtigt, unter dem das Fach zu dieser Zeit stand. Denn die Ausgangsposition der Psychiatrie, um im Ersten Weltkrieg eine exponierte Stellung einzunehmen, war denkbar ungünstig. Dies lag an dem augenfälligen Problem des Faches, vielen psychischen Erkrankungen therapeutisch letztlich hilflos gegenüberzustehen. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts führte dies zusammen mit dem Eindruck überfüllter Anstalten zu einer öffentlichen Kritik, die die Reputation der Psychiatrie nachhaltig beschädigte.25

Durch die Behandlung der Kriegsneurotiker schien sich für die Psychiater auf dem prestigeträchtigen Feld der Militärmedizin endlich einmal die Möglichkeit darzubieten, den therapeutischen Nihilismus der vorangegangenen Jahre hinter sich zu lassen. Diese überbordende therapeutische Aufbruchsstimmung war auf der Münchener Tagung allgegenwärtig. Unter Verweis auf die notwendige „Willenskraft“ des Patienten zur Überwindung der Kriegsneurose hatten die Militärpsychiater äußerst schmerzvolle Therapiemethoden entwickelt, die heute drastisch anmuten, allerdings seinerzeit zum ersten Mal Heilungsaussichten bzw. Chancen auf Symptomfreiheit beim Soldaten in Aussicht stellten.26 So präsentierte beispielsweise der Psychiater Fritz Kaufmann (1875-1941) in München seine berüchtigte Elektrosuggestivbehandlung.27 Kaufmann verabreichte den Soldaten „kräftige Wechselströme“ in drei- bis fünfminütigen Intervallen. Die Strombehandlung wurde von einer Suggestion in scharfem militärischen Befehlston begleitet. „Der gewaltige Schmerzeindruck“, so gab sich Kaufmann überzeugt, würde den Patienten „in die Gesundung hinein zwingen“. Das Ziel dieser wie auch vieler anderer für den Patienten qualvollen militärpsychiatrischen Therapiemethoden war, den Behandelten mit einem noch massiveren Schock als dem Kriegserlebnis zu konfrontieren, um ihn an die unter diesem Eindruck vergleichsweise erträglichere und weniger schmerzhafte Front zurückführen zu können.

Die kriegspsychiatrische Tagung mitsamt den dort präsentierten neuen Möglichkeiten der „aktiven Kriegsneurotikertherapie“ kann als die Geburtsstunde der so genannten „herrschenden psychiatrischen Lehre“ in Deutschland gelten. Ab diesem Zeitpunkt sollten bis weit in die bundesrepublikanischen Jahre hinein sämtliche Ausführungen zum Phänomen der „Kriegshysteriker“ auf diese Lehrmeinung rekurrieren.28 Dass diese andauernde Bezugnahme jedoch nicht zu jeder Zeit gleichbedeutend war mit einer diskussions- und alternativlosen Annahme dieser Lehrformel innerhalb des psychiatrischen Behandlungs- und Begutachtungsalltages, macht die Analyse der Lazarettakten von psychisch kranken Soldaten deutlich.

Die psychiatrische Behandlungspraxis im Ersten Weltkrieg

Die nun folgenden Ausführungen zum militärpsychiatrischen Alltag im Ersten Weltkrieg basieren auf den Ergebnissen des Forschungsprojektes „Krieg und medikale Kultur. Patientenschicksale im Zeitalter der Weltkriege“, bei dem insgesamt 500 der im Freiburger Bundesarchiv-Militärarchiv im Bestand „Pers 9“ lagernden Lazarettakten von psychisch kranken Soldaten des Ersten Weltkrieges wissenschaftlich ausgewertet wurden.29 In der untersuchten Stichprobe von Krankenakten waren mit den Diagnosen „Hysterie“, „Neurasthenie“, „Neurose“, „Granatschock“ sowie mit der Kategorie „nervöse Leiden“ die Krankheitsbezeichnungen vorherrschend, die zeitgenössisch unter dem Begriff der Kriegsneurose subsumiert wurden. Sie bildeten mit 352 Fällen die größte Gruppe.30

Die Analyse der Lazarettakten brachte das bemerkenswerte Resultat hervor, dass die damaligen aktuellen medizinischen Theorien und Schemata in der Basisbehandlung der seelisch erkrankten Soldaten nur zu einem gewissen Teil umgesetzt wurden. Die Behandlungspraxis der Ärzte war differenzierter, als es der Tenor der Verlautbarungen auf dem kriegspsychiatrischen Kongress in München oder in den medizinischen Fachzeitschriften vermuten ließ. Während dort beinahe ausschließlich die einschlägige „aktive Kriegsneurotikerbehandlung“ präsentiert und diskutiert wurde, ging es in der alltäglichen Arbeit primär um eine Wiederherstellung der psychischen wie auch der physischen Kräfte mit einfachen roborierenden Maßnahmen. Die Zahlen der Lazarettaktenauswertung sprechen dabei eine deutliche Sprache: Lediglich 24 Prozent der Kriegsneurotiker wurden mit Hilfe einer kombinierten Suggestiv- und Elektrotherapie behandelt. Die neu entwickelten Behandlungsmethoden fanden demnach eher selten Anwendung, stattdessen blieb es im überwiegenden Maße bei einer konventionellen Form der Therapie, die sich im Wesentlichen auf Ruhe und Erholung beschränkte. Den Soldaten wurden in diesen Fällen vor allem Bettruhe, kräftigende Kost sowie Beruhigungsmittel wie Brom oder Baldrian verordnet.

In das Bild eines differenzierten therapeutischen Alltags fügen sich auch die statistischen Erhebungen zur Behandlungsdauer der psychisch erkrankten Soldaten ein. Das berühmt gewordene Diktum von Sigmund Freud (1856-1939), der 1920 – im Rückblick auf den Ersten Weltkrieg – die Militärpsychiater als Maschinengewehre hinter der Front bezeichnete, die die ihnen anvertrauten Soldaten schnellstmöglich dorthin zurücktreiben wollten, wurde in der Forschungsliteratur bereitwillig aufgenommen.31 Doch auch hier fördert die empirische Auswertung der Lazarettakten eine beachtenswerte Diskrepanz zu den zeitgenössischen Verlautbarungen führender Fachvertreter zu Tage. Es wird deutlich, dass den seelisch kranken Soldaten durchaus Zeit zur Regeneration zugestanden wurde und sie auch eher selten direkt vom Lazarett aus an die Front zurückbeordert wurden. Die durchschnittliche Hospitalisierungsdauer belief sich auf etwa zwei Monate. Nach der Entlassung aus dem Lazarett leisteten die Soldaten zunächst mehrheitlich bei ihrem Garnisonstruppenteil (30,8 Prozent) Dienst. Lediglich 22 Prozent der psychisch erkrankten Soldaten mussten direkt an die Front zurückkehren. Weitere 15,7 Prozent wurden als arbeitsverwendungsfähig entlassen und vornehmlich in kriegswichtigen Betrieben eingesetzt. In etwa die gleiche Anzahl an Soldaten (15,1 Prozent) verließ das Heer als gänzlich „dienstunbrauchbar“.

Die Analyse des psychiatrischen Behandlungsalltags im Ersten Weltkrieg zeigt, dass sich die auf der Münchener Tagung beschlossene konzeptionelle Neuausrichtung nicht umfassend in die Tat umsetzen ließ. Das Deutungsmonopol über die Kriegsneurose hatte eine kleine Gruppe von Universitätsprofessoren inne. Diese militärpsychiatrische Elite war sich jedoch darüber im Klaren, dass sie zwar die diskursive Deutungshoheit über den Umgang mit Kriegsneurotikern besaß, dies jedoch nicht gleichbedeutend war mit einer flächendeckenden Übernahme ihrer Theorien in der militärmedizinischen Praxis bzw. innerhalb der eigenen scientific community. Die fehlende Härte im Kampf gegen die Kriegszitterer war für sie im Rückblick auch der Grund, warum man dieses Phänomen im Ersten Weltkrieg letztlich nicht in den Griff bekommen hatte. Man wähnte sich auf dem richtigen Weg, sei jedoch bedauerlicherweise auf halber Strecke ausgebremst worden, so lässt sich die Gefühlslage des psychiatrischen Establishments nach 1918 beschreiben.32 Raum für Selbstkritik war aus dieser Logik heraus nicht zu erwarten, vielmehr die in die Zukunft gerichtete Forderung nach mehr Konsequenz in der praktischen Umsetzung ihrer Lehrmeinung.

Von der Kriegs- zur Rentenneurose. Psychiater im Entschädigungskampf

Die Frage nach der Berentung psychisch kranker Soldaten kam bereits während des Ersten Weltkrieges auf die Psychiater zu.33 In der Theorie war für die gutachterliche Entscheidung, ob eine Dienstbeschädigung [D.B.] vorlag, die Feststellung auschlaggebend, dass die zu beurteilenden Schädigungen „exogen und direkt oder indirekt militärdienstlicher Art“ waren34. Dafür musste nachgewiesen werden, dass die Gesundheitsstörung durch „die besonderen Verhältnisse des Krieges“ entstanden war.35 In Anbetracht des auf dem Münchener Kongresses 1916 propagierten psychogenen Erklärungsansatzes, der einen Zusammenhang zwischen Kriegserleben und Ausbruch seelischer Erkrankungen bei Soldaten ausschloss, überrascht es nicht, dass die führenden Fachvertreter sich in dieser Frage bereits während der Kriegsjahre schroff ablehnend äußerten. Militärpsychiater wie Ewald Stier (1874-1962) argumentierten, dass die „nervösen Schwächlinge“ zu Unrecht Rente beziehen würden, da die Krankheitsursache lediglich in der „angeborenen Konstitution“ der Soldaten begründet läge.36 Diese rigide Haltung gegenüber einer Berentung seelisch versehrter Veteranen wurde noch durch außermedizinische Erwägungen forciert, sahen sich doch viele Psychiater ihrem Selbstverständnis nach als Hüter der Staatsfinanzen. Das ärztliche Engagement bestand auch darin, die nationalen Interessen und insbesondere die finanziellen Ressourcen des Staates in der therapeutischen und gutachterlichen Arbeit zu berücksichtigen.37 So rief mit Robert Gaupp einer der führenden Fachvertreter 1917 dazu auf, „eigensüchtige [...] Wünsche [der Soldaten, d. V.] im Interesse des Vaterlandes, der Aufraffung seiner ganzen Energie zum Neuaufbau unserer Wirtschaft und unserer Volkskraft“ zu überwinden.38

Doch auch bei der Frage der Kriegsdienstbeschädigung fördert die statistisch-empirische Analyse der Lazarettakten eine sehr differenzierte Begutachtungspraxis zu Tage, die den Forderungen der führenden psychiatrischen Fachvertreter entgegenstand. In der Stichprobe der Kriegsneurotiker fanden sich 82 valide Aussagen zur Dienstbeschädigung. In 61 Prozent dieser Gutachten wurde den Frontkämpfern eine Kriegsrente zuerkannt. Bei der Mehrheit dieser begutachteten Veteranen wurde somit durchaus ein Zusammenhang zwischen Kriegsdienst und dem Ausbruch der psychischen Krankheit attestiert. Dieser Befund wird noch durch eine Statistik aus dem „Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918“ (Stand 1. April 1919) gestützt. Dort ist vermerkt, dass die Militär- und Sozialbürokratien sowie die gutachtenden Ärzte bei über 600.000 ehemaligen Soldaten eine Rentenberechtigung anerkannten, wovon die „nervös Kranken oder vermeintlich Kranken […] fast die Hälfte“ stellten.39

Auch hier änderten die realen Begebenheiten nichts an der grundsätzlichen Einstellung der führenden Psychiater. Ihre starre Haltung in der Entschädigungsfrage macht vielmehr deutlich, dass es ihnen auch nach dem Ende der Kampfhandlungen nicht gelang, über den Schatten ihrer bellizistischen Überzeugungen zu springen.40 Der Erste Weltkrieg blieb für die Psychiatrie in der Weimarer Republik noch aus einem anderen Grund ein wichtiger Bezugspunkt. Die Bedeutung rassenhygienischen Gedankengutes, das die Psychiater bereits während des Krieges nachhaltig beeinflusste, sollte nach 1918 weiter anwachsen. Der Erste Weltkrieg, so die Überzeugung vieler Mediziner, habe eine „kontraselektorische“ Wirkung auf das deutsche Volk gehabt. Weite Kreise der Ärzteschaft vertraten die sozialdarwinistische Auffassung, dass auf dem Schlachtfeld millionenfach „hochwertige“ Männer gestorben seien, während sich die Untauglichen und „Minderwertigen“ zu Hause in Sicherheit gewogen hätten.41 Max Nonne, einer der einflussreichsten Vertreter der herrschenden Lehre, beklagte in der Rückschau 1922, dass der Krieg nicht zuletzt im Hinblick auf die Kriegsneurotiker „Darwin’sche Zuchtwahl“ gerade im „umgekehrten Sinne mit großem Erfolg“ betrieben hätte: „Die besten werden geopfert, die körperlich und geistig Minderwertigen, Nutzlosen und Schädlinge werden sorgfältig konserviert, anstatt daß bei dieser günstigen Gelegenheit eine gründliche Katharsis stattgefunden hätte, die zu dem durch den Glorienschein des Heldentodes die an der Volkskraft zehrenden Parasiten verklärt hätte.“42

Die (Selbst)Wahrnehmung eines degenerierten und kranken „Volkskörpers“ trug sicherlich dazu bei, dass die Psychiater sich auch nach dem Krieg vehement gegen eine Berentung aussprachen. Stattdessen unterstellten sie den Veteranen nach der Kriegs- nun auch eine Rentenneurose.43 Darüber hinaus machten sie die Kriegsneurotiker für die Niederlage 1918 mitverantwortlich, gab es doch in ihren Augen offenkundige Überschneidungen zwischen den angeblich „minderwertigen“, willensschwachen „Psychopathen“ und den sozialistischen Umstürzlern von 1918.44 Für den Psychiater Valentin Faltlhauser (1876-1961) etwa stand es im Jahre 1923 außer Frage, dass die Novemberrevolution das Werk „geistig Minderwertiger“, „Hysteriker“ und „Psychopathen“ war.45 Indem Faltlhauser und Kollegen nicht müde wurden, auf die „zersetzende“ Tätigkeit dieses „linken Psychopathenflügels“ hinzuweisen, kreierte man eine psychiatrische Variante der Dolchstoßlegende.46

Zu einem der schärfsten Gegner jedweder Versorgungsansprüche schwang sich der Psychiater Friedrich Panse (1899-1973) auf.47 Offensichtlich stark beeinflusst von seinem akademischen Lehrer, dem berühmten Berliner Ordinarius für Psychiatrie, Karl Bonhoeffer, der sich ebenfalls gegen eine Berentung von Kriegsneurotikern aussprach, meldete sich Panse in mehreren Vorträgen und Fachartikeln in dieser Frage zu Wort, wobei er gegenüber den psychisch kranken Kriegsteilnehmern einen bemerkenswert aggressiven Ton anschlug.48 Auch er wiederholte unentwegt das Mantra der herrschenden Lehre, das besagte, nicht das Kriegserleben, sondern eine konstitutionelle Minderwertigkeit, die er den seelisch erkrankten ehemaligen Soldaten mehrheitlich attestierte, sei für den Ausbruch ihres Leidens verantwortlich. In diesem Zusammenhang behauptete er: Viele Kriegsneurotiker „waren schon vor dem Krieg sozial recht tiefstehend, viele Gelegenheitsarbeiter und mehrere Asylisten, Trinker und Haltlose sind darunter“.49 Ihr mangelhafter Wille zur Gesundung würde durch eine laxe Sozialgesetzgebung noch zusätzlich befördert. Erst die Bewilligung einer Versorgungsrente sorge nämlich dafür, dass sich die Anfangssymptome der Soldaten zu psychischen Dauerstörungen auswachsen würden. Anstelle großzügiger Entschädigungszahlungen plädierte Panse für eine Arbeitstherapie, die freilich nur in Form eines „Arbeitszwanges“ zum Erfolg führe.

Friedrich Panse reihte sich mit seinen Ausführungen in eine lange Reihe von Stellungnahmen ein, die den psychisch kranken Kriegsveteranen unisono einen fehlenden Arbeitswillen attestierten. Der psychiatrische Grundtenor lautete dabei, dass die Kriegsneurotiker viel lieber eine Versorgungsrente beziehen würden, als ihrer früheren Beschäftigung nachzukommen.50

Wie weit diese pauschalen Unterstellungen von der Lebenswirklichkeit der Betroffenen, ihren tatsächlichen Wünschen und Sehnsüchten abwichen, darauf weist der Fall des ehemaligen Soldaten Max G. hin, der ab Herbst 1926 wiederholt in die sächsische Heil-und Pflegeanstalt Großschweidnitz eingewiesen wurde.51 G. erlitt während des Ersten Weltkrieges eine schwere Schussverletzung des rechten Unterschenkels, die seinen Kriegsdienst vorzeitig beendete. Auch lange Zeit nach seiner Entlassung aus dem Heer klagte er immer wieder über starke Schmerzen, Zittern und plötzliche Krämpfe sowohl im versehrten Bein als auch im rechten Arm. Seine Kriegsverletzung war der Grund, warum sämtliche Versuche von G., wieder seiner früheren beruflichen Tätigkeit als Holzarbeiter nachzugehen, fehlschlugen. Aufgrund seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit schien für ihn eine Welt zusammenzubrechen. Er fühlte sich durch seine Invalidität nicht mehr als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, war darüber frustriert und schottete sich immer mehr von seiner Umwelt ab. Seine misslungenen Arbeitsversuche hatten schließlich zur Folge, so die Interpretation der ihn behandelnden Psychiater, dass Max G. „tieftraurig“ wurde, an Depressionen litt und wiederholt versuchte, sich das Leben zu nehmen. Daran, dass seine psychische Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Kriegsinvalidität stand, herrschte zu Beginn seiner Anstaltskarriere kein Zweifel. Bei seiner Ersthospitalisierung in Großschweidnitz am 24. September 1926 wurde auf dem Aufnahmebogen vermerkt: „Diagnose: Depressionszustand. Ursache: schwere Kriegsverletzung, Arbeitslosigkeit“.

Max G. wurde durch seine im Krieg erworbene Verwundung dauerhaft arbeitsunfähig. Doch anders als dies von den Psychiatern häufig unterstellt wurde, wollte er mitnichten in den Genuss einer Versorgungsrente kommen, ganz im Gegenteil: Er wollte arbeiten und verlor ob der Tatsache, dass er dazu nicht mehr in der Lage war, sein Selbstwertgefühl und wurde psychisch krank. Doch vor Schicksalen wie das von Max G. verschlossen insbesondere die führenden psychiatrischen Fachvertreter die Augen; zumindest änderten sie nichts an ihrem grundsätzlichen Ziel, die Kriegsneurotiker aus dem Versorgungssystem auszuschalten. Dies gehörte zweifelsohne zu einer Kernforderung nationalkonservativer bis rechtsradikaler psychiatrischer Kreise in Deutschland. So forderte beispielsweise Max Nonne in seinem Beitrag für das Handbuch der „Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege“ in dieser Hinsicht vom Staat eine „Periode straffer Zügelführung“ ein.52 Doch der Weimarer Sozialstaat entpuppte sich mitnichten als der gewünschte gesundheits- und sozialpolitische Zuchtmeister.

Stephanie Neuner, die im Zuge ihrer grundlegenden Dissertation rund 1.600 psychiatrische Gutachten – angefertigt von Ärzten in den Versorgungsämtern der Weimarer Republik und des „Dritten Reiches“ – ausgewertet hat, kommt zu dem Schluss, dass die Weimarer Fürsorgebehörden, entgegen der rigiden Lehrmeinung der psychiatrischen Elite, eine Vielzahl von Versorgungsansprüchen in Fällen seelischer Versehrtheit bewilligten.53 Wenngleich führende Fachvertreter wie z.B. Karl Bonhoeffer das für die Rentenbewilligung zuständige Arbeitsministerium berieten und in dieser Frage massiv Einfluss auszuüben versuchten, stieß an dieser Stelle der Einfluss medizinischer Experten auf Politik und Sozialverwaltung an Grenzen.54 Der Weimarer Sozialstaat zeigte sich bis zuletzt gewillt, auch bei den seelisch versehrten Veteranen grundsätzlich eine Kriegsdienstbeschädigung anzuerkennen. Bei den ehemaligen Militärpsychiatern stieß dies auf weitgehendes Unverständnis und Verbitterung und trug sicherlich dazu bei, dass diese medizinische Elite der demokratischen Staatsform noch kritischer gegenüberstand, als sie dies von Beginn an ohnehin getan hatte.55

Die Versorgungspraxis der Weimarer Republik sorgte jedoch weder bei den versehrten Veteranen im Allgemeinen noch bei den psychisch kranken Kriegsteilnehmern im Besonderen für Zufriedenheit. Hierin liegt gewissermaßen die Tragik der Weimarer Sozialpolitik, denn die generelle Bereitschaft zur Entschädigung wurde letztlich durch tiefgreifende bürokratische Probleme bei der Abwicklung der Rentenverfahren konterkariert.56 Darüber hinaus herrschte im Umgang mit den „beschädigten Helden“ (Sabine Kienitz) – was wohl noch schwerer wog – ein erinnerungspolitisches Defizit. Die Veteranen fühlten sich nicht genügend wertgeschätzt und sahen ihre Kriegsopfer als nicht ausreichend gewürdigt an.57 Den allgemeinen Unmut der Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen machte sich die NSDAP bereits vor 1933 in diversen Wahlkämpfen zu Nutze.58 Dabei griff sie permanent auf den zeitgenössisch gängigen Slogan vom fehlenden „Dank des Vaterlandes“ zurück. Die nationalsozialistische Propaganda versprach den Kriegsbeschädigten über verbesserte finanzielle Leistungen hinaus ein tieferes Verständnis für ihre Opfer im Kriege und die langersehnte gesellschaftliche Anerkennung.59 Dies führte bei vielen Kriegsversehrten – und die seelisch kranken ehemaligen Soldaten bildeten hierbei keine Ausnahme – anfangs dazu, große Hoffnungen in den Nationalsozialismus zu setzen. Doch die konkrete Versorgungspraxis im „Dritten Reich“ sah gänzlich anders aus.

Die „Machtergreifung“ der herrschenden Lehre im Nationalsozialismus

Mit dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten einher ging der Aufstieg der Rassenhygiene zu einer staatlich sanktionierten Leitwissenschaft. Zwar spielte das rassenhygienische Paradigma in der Medizin bereits seit dem Ersten Weltkrieg eine bedeutende Rolle, doch erst im „Dritten Reich“ avancierte es zu einer der gesundheits-, aber auch sozialpolitischen Säulen des NS-Regimes.60 Diese Entwicklung ist eng mit einer Stigmatisierung der Träger angeblich minderwertigen Erbgutes verknüpft, die als „Volksschädlinge“ oder „Ballastexistenzen“ verunglimpft wurden und denen keinerlei Anspruch auf staatliche Fürsorge mehr zugestanden werden sollte. Durch dieses Raster fielen auch die psychisch kranken Soldaten. Aufgrund ihres vermeintlich degenerativen Erbgutes sowie durch ihre angebliche Arbeitsunwilligkeit wurden sie als „asoziale Feiglinge“ geschmäht, die es umgehend aus dem Versorgungssystem auszuschließen galt.61

Am 3. Juli 1934 stimmte das Kabinett Hitler der Vorlage des Reichsarbeitsministeriums über die Änderung des „Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen“ zu.62 Die NS-Führung hatte versprochen, das Kriegsrentensystem im Interesse der Veteranen des Ersten Weltkrieges zu reformieren, doch das neue Gesetz bot für sie kaum nennenswerte finanzielle Vorteile. Für die Kriegsteilnehmer, die sich gerade vom NS-Regime eine angemessene Anerkennung ihrer Leistungen erhofft hatten, entpuppte sich die neue Gesetzesvorlage vielmehr als große Enttäuschung.63 Die Gesetzesänderung beinhaltete zudem eine weitreichende Änderung, indem eine grundlegende Überprüfung der bestehenden Kriegsrentenbescheide festgelegt wurde. Somit konnten bereits während der Weimarer Republik gewährte Renten wieder entzogen werden. Hiervon waren insbesondere die seelisch versehrten Soldaten betroffen. Mit der Hilfe von Wohlfahrtsbehörden und Psychiatern, die – anders noch als in der Weimarer Republik – nunmehr effizient zusammenarbeiteten, identifizierte das Reichsarbeitsministerium in der Folgezeit rund 16.000 von ihnen als „Simulanten“ und strich ihre Renten.64 Auch wenn es insbesondere für „Alte Kämpfer“ der NSDAP noch vereinzelte Ausnahme- und Härtefallregelungen gab, so bedeutete das „Dritte Reich“ für die psychisch kranken Veteranen des Ersten Weltkrieges doch faktisch das Ende ihres staatlich anerkannten Status als Kriegsbeschädigte.65

Die konsequente Umsetzung dieser Gesetzesänderung wirft ein wichtiges Schlaglicht auf die Ausrichtung der Psychiatrie im „Dritten Reich“. An die Stelle eines Wissenschaftspluralismus trat innerhalb der psychiatrischen Theoriebildung eine zunehmende erbpsychiatrische Fokussierung. Allen voran Ernst Rüdin (1874–1952) und seine von der NS-Wissenschaftspolitik großzügig subventionierte Forschungsanstalt für Psychiatrie in München erlangten in den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ eine beachtliche Machtfülle und bestimmten fortan entscheidend die Entwicklung des Faches, das nunmehr ganz im Zeichen der Erbforschung und Rassenhygiene stand. Obwohl spezielle Erbgänge einzelner Erkrankungen noch gar nicht hinreichend erforscht waren und man sich somit wissenschaftlich auf dünnem Eis bewegte, hielten die Psychiater um Rüdin den Beweis der Erblichkeit psychischer Störungen als erbracht.66

Der zeitgenössische Wissenschaftstrend hatte auch Auswirkungen auf die „Neurosenfrage“. Zwar war eine rassenhygienisch konnotierte Erbhypothese von Beginn an integraler Bestandteil der herrschenden psychiatrischen Lehre gewesen, ab 1933 rückten ihre Protagonisten aber die Heredität der Kriegsneurose als dominanten ätiologischen Faktor noch stärker in den Vordergrund. Mit anderen Worten: „Hysterie“ und „Neurose“ galten von nun an dezidiert als Erbkrankheiten.67 Insofern war es nur konsequent, dass es im Zuge der Änderung des Versorgungsgesetzes auch in der militärpsychiatrischen Begutachtungspraxis zu einer konsequenten Anwendung des Endogenitätsprinzips kam, das heißt Ursache und Ausbruch psychischer Erkrankungen wurden nunmehr ausschließlich mit der erblichen Disposition des Soldaten begründet. Bei ihnen wurde ein Zusammenhang zwischen Ausbruch der Erkrankung und Wehrdienst von nun an kategorisch ausgeschlossen.68

Im „Dritten Reich“ musste kein neues psychiatrisches Wissen zur „Neurosenfrage“ produziert werden. Bei ihrem Streben, die Kriegsneurotiker aus dem Fürsorgewesen zu entfernen, konnte die NS-Regierung vielmehr auf eine bereits weit vor 1933 entwickelte Theorie zurückgreifen. So wurde die auf der Kriegstagung 1916 beschlossene psychiatrische Ausrichtung im „Dritten Reich“ zur ausschließlich akzeptierten und vor allem in die Praxis umgesetzten Lehrmeinung. Durch eine verstärkte erbpsychiatrische Fokussierung lediglich leicht modifiziert, war sie im „Dritten Reich“ offizieller Bestandteil staatlicher Sozialpolitik geworden.69 Wie sich am Beispiel der neuen versorgungsrechtlichen Bestimmungen zeigen lässt, verschränkten sich in dieser Frage beileibe nicht nur sozial- und finanzpolitische Interessen, sondern darüber hinaus auch ideologische Zielvorstellungen. Die psychiatrischen Vertreter der herrschenden Lehre und die nationalsozialistische Politik verband die rassenhygienisch motivierte Zielvorstellung eines leistungsfähigen und homogenen Volkskörpers. Kriegsteilnehmer, die nach ärztlicher Einschätzung an ausschließlich endogenen psychischen Beschwerden litten, zählten aufgrund ihres vermeintlich degenerativen Erbgutes zur Gruppe unerwünschter „Volksgenossen“, die der „Volksgemeinschaft“ nicht mehr länger finanziell zur Last fallen sollten.70

Für viele der psychisch kranken ehemaligen Weltkriegsteilnehmer sollte es jedoch nicht nur bei einer finanziellen Ausgrenzung bleiben. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde sogar ihr Lebensrecht in Frage gestellt, und sie liefen Gefahr, in die Mühlen der NS-„Euthanasie“ zu geraten. Neuere Forschungen haben herausgearbeitet, dass die seelisch erkrankten Veteranen des Ersten Weltkrieges systematisch für die Krankenmordaktion T4 selektiert wurden. Hierbei handelt es sich um diejenigen ehemaligen Kriegsteilnehmer, die infolge ihrer Erkrankung dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung verweilen mussten. Es ist davon auszugehen, dass sich unter den 70.000 T4-Opfern bis zu 5.000 psychisch kranke Veteranen des Ersten Weltkrieges befanden.71

An der Durchführung der Aktion T4 waren rund 40 Psychiater federführend beteiligt. Sie entschieden durch ihre Gutachten auf einem so genannten Meldebogen über das Schicksal geistig behinderter und psychisch kranker Menschen.72 Mit den bereits oben eingeführten Personen Valentin Faltlhauser und Friedrich Panse gehörten zwei Psychiater zu den „Euthanasie“-Gutachtern, die in der Weimarer Republik einen äußerst rigiden Kurs gegenüber den Kriegsneurotikern verfochten hatten. Vergegenwärtigt man sich ihre Verlautbarungen, so verwundert es nicht, dass es für sie außer Frage stand, auch die seelisch kranken Veteranen des Ersten Weltkrieges als „lebensunwertes“ Leben darzustellen und sie zur Tötung freizugeben. Unter den Opfern der Aktion T4 befand sich auch der ebenfalls bereits erwähnte ehemalige Kriegsteilnehmer Max G., dessen Gesundheitszustand sich mit den Jahren derartig verschlechtert hatte, dass er ab 1933 ununterbrochen in der Heil- und Pflegeanstalt Großschweidnitz hospitalisiert bleiben musste. Am 25. September 1940 wurde er in die sächsische Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein deportiert und dort vergast.73

Die Militärpsychiatrie im Zweiten Weltkrieg

Die zwischen 1914 und 1918 gewonnenen Erfahrungen mit psychisch kranken Soldaten flossen in den Aufbau der Wehrmacht, insbesondere in die Tätigkeit der Heeressanitätsinspektion mit ein.74 Ziel der Militärführung im Hinblick auf zukünftige Kampfhandlungen war es, Kriegsneurotiker möglichst schon im Vorfeld zu erkennen und durch eine gezielte Musterung auszusondern – nicht zuletzt, damit sie andere Soldaten gar nicht erst „anstecken“ konnten. Zudem wollte man den bereits im Ersten Weltkrieg begonnenen Ausbau der frontnahen Behandlung von Kriegsneurotikern weiter forcieren. War der Soldat erst einmal zur Therapie in der Heimat angelangt, so die vorherrschende Meinung der Militärpsychiater, sei es umso schwieriger, ihn wieder fronttauglich zu therapieren.75 Schließlich sollten psychisch auffällige Soldaten einer disziplinarischen Therapie unterzogen werden, um ein Tapferkeits- und Ehrgefühl in ihnen zu erwecken. Anstelle eines unangebrachten Mitleids, wie man es im Ersten Weltkrieg nicht selten beobachtet haben wollte, strebten die Wehrmachtsmediziner ein rigoroses therapeutisches Durchgreifen im Umgang mit psychisch kranken Soldaten an.76 Die Militärpsychiater betrieben in den 1930er Jahren einen beträchtlichen Aufwand, um zu vermeiden, dass sich das „Debakel von 1918“ wiederholte. Bei der Umsetzung dieser Zielvorstellungen sollte mit der Gruppe der so genannten Beratenden Psychiater des Heeres ein Expertenkreis an exponierter Stelle mithelfen.77 Die Hauptaufgabe der „Beratenden“ bestand darin, das Sanitätswesen mit Fachkompetenz bei medizinischen Fragen zu beraten und zu unterstützen.78 Die deutsche Militärpsychiatrie schien für den kommenden Krieg gut gerüstet.

Doch die militärischen Auseinandersetzungen ab 1939 brachten zunächst eine Überraschung: Das massenhaft erwartete Phänomen der „Kriegszitterer“ trat zum großen Erstaunen der Militärpsychiater nicht auf.79 Sie interpretierten das Ausbleiben einer Vielzahl von Krankheitsbildern, mit denen man aufgrund der Erfahrungen des letzten Krieges gerechnet hatte, als einen Erfolg der eigenen Präventionsstrategie. Faktisch kam es in der ersten Phase des Zweiten Weltkrieges jedoch zu einem „Gestaltenwandel der Kriegsneurose“.80 Statt der bekannten Formen der offenen hysterischen Symptome, die zu Beginn nur selten auftraten, führte der Kriegseinsatz nun in größerer Zahl zu so genannten Organneurosen, die in erster Linie in den Zuständigkeitsbereich der Internisten fielen.81 Die Führung der Heeressanitätsinspektion reagierte auf die hohe Zahl (psycho-)somatischer Erkrankungen, indem sie Sonderbataillone für bestimmte Krankheiten schuf. In diesen Sonderformationen wurden zum Beispiel magenkranke Soldaten zusammengefasst, die mit spezieller Kost versorgt und zuvorderst im rückwärtigen Gebiet mit Wachaufgaben betraut wurden.82 Erst durch die drastische Verschärfung der Kriegslage mit dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 kam es wieder verstärkt zu offenen hysterischen Symptomen.83

Die Behandlung der psychisch kranken Soldaten fand auch im Zweiten Weltkrieg zwangsläufig in einem Spannungsfeld zwischen individueller Betreuung und militärimmanenten systemischen Zwängen statt – erstes Ziel für die Militärpsychiater war nach wie vor die Wiederherstellung der Kampfkraft der Truppe. Zu diesem Zweck wurde ein Drei-Stufen-Modell implementiert. Dieses rekurrierte auf Erfahrungen, die man bereits im Ersten Weltkrieg gemacht hatte, und war keine deutsche Besonderheit.84 Standen in einem ersten Schritt Ruhe und Erholung, kameradschaftlicher Zuspruch und die Zurücknahme aus den Kampfhandlungen im Vordergrund, so kamen in einem nächsten Schritt medikamentöse Therapien, vor allem Beruhigungsmittel hinzu. Hatte sich der Zustand des Soldaten bis dahin nicht gebessert, wurden schließlich die eigentlichen psychiatrischen Therapien angewandt.

In Deutschland kamen dabei insbesondere die Kreislauf- und Elektroschocks, aber auch nach wie vor das bereits erwähnte Elektrosuggestivverfahren zum Einsatz.85 Besondere Bedeutung kam hierbei einer Weiterentwicklung der „Kaufmann-Kur“ zu, dem so genannten Pansen, benannt nach dem Beratenden Psychiater des Heeres und T4-Gutachters Friedrich Panse. Bei diesem Verfahren setzte Panse hochdosierten galvanischen Strom zur Behandlung von Kriegsneurotikern ein.86 An den Diskussionen zwischen den Beratenden Psychiatern über die Freigabe dieser für den Soldaten überaus qualvollen Therapiemethode lässt sich die zunehmende Radikalisierung im Umgang mit den psychisch kranken Soldaten nachzeichnen. Der Beratende Psychiater der gesamten Heeressanitätsinspektion, Otto Wuth (1885-1946), der das „Pansen“ zunächst noch als zu brutal ablehnte, genehmigte Ende 1942 schließlich dessen Durchführung. Auf die bis dahin erforderliche Einverständniserklärung des Patienten wurde von diesem Zeitpunkt an ebenfalls verzichtet.87

Der weitere Umgang mit Soldaten, die sich auch diesen drakonischen Behandlungsmethoden gegenüber als resistent erwiesen, wurde dann nicht mehr als „ärztliche, sondern [als] eine disziplinare Angelegenheit“ angesehen.88 Ihnen drohte zum einen die Einweisung in ein Konzentrationslager, zum anderen liefen sie Gefahr, in eine Heil- und Pflegeanstalt eingewiesen zu werden.89 Gleichwohl waren die Soldaten des Zweiten Weltkrieges, zumindest nach dem bisherigen Forschungsstand, von der Aktion T 4 nicht betroffen. Sie wurden offenbar bewusst nicht selektiert. Allerdings befanden sich unter den Opfern der ab 1941 verstärkt einsetzenden regionalen Krankenmorde durchaus Wehrmachtsoldaten.90

Auch für die Ausrichtung der deutschen Militärpsychiatrie zwischen 1939 und 1945 ist die vollzogene Wende in der Ätiologie der Kriegsneurose kennzeichnend. Ein Zusammenhang zwischen den Kriegserlebnissen und der seelischen Erkrankung wurde nicht mehr nur rückwirkend für die Soldaten des Ersten Weltkrieges ausgeschlossen. Stattdessen galt fortan auch für die Wehrmachtsoldaten, dass ihre psychischen Symptome ausschließlich mit erblicher Minderwertigkeit erklärt werden sollten.91 Die dogmatische Anwendung dieser Lehrmeinung spiegelt sich auch in den Verfahren über Kriegsdienstbeschädigung bei psychisch kranken Soldaten wider. Obwohl Nerven- und Geisteskrankheiten zwischen 1939 und 1943 zu den häufigsten Gründen für eine Entlassung aus der Wehrmacht wegen Dienstunfähigkeit gehörten, bekamen 85 Prozent dieser Dienstunfähigen keine Wehrdienstbeschädigung anerkannt und demnach auch keine finanzielle Entschädigung vom Staat.92 „Die Überzeugung, daß die neurotische Reaktion nicht die Folge einer gesundheitsschädigenden Einwirkung des Krieges war, sondern daß ihre Gründe in irgendwelchen Wunschbestrebungen einer anlagemäßig nicht vollwertigen Persönlichkeit lagen, hat sich bei den Gutachtern ganz allmählich erst Bahn gebrochen.[…] Jetzt findet sich allerdings wohl kein ernst zu nehmender Gutachter mehr, der in einer Neurose eine entschädigungspflichtige DB. oder Unfallfolge sähe“ – so ein zeitgenössischer Kommentar von 1940.93

Die Beharrungskräfte der herrschenden Lehre nach 1945

Die Militärpsychiater machten sich direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges daran, den „Erfolg“ ihrer Tätigkeit in den Jahren 1939 bis 1945 zu dokumentieren.94 Obwohl der Krieg verloren worden war, zeichneten sie doch eine Erfolgsgeschichte nach, derzufolge es durch Prävention, Separierung sowie hartes, entschlossenes und einheitliches Durchgreifen gelungen war, das Auftreten von Kriegsneurotikern nur in verschwindend geringer Anzahl zuzulassen.95 Derart von sich und dem eigenen Tun überzeugt, sahen die Militärpsychiater keinen Grund, das eigene Handeln sowie die herrschende Lehrmeinung kritisch zu hinterfragen. Auch bei der Frage einer Kriegsrente für psychisch kranke Veteranen war für sie die Ausgangslage klar. Dem wissenschaftlichen Kenntnisstand zufolge konnte es zwischen dem Krieg und nachfolgenden psychopathologischen Erscheinungen keinen ursächlichen Zusammenhang und für die ehemaligen Soldaten somit auch keine Berentung geben.

Erste Zweifel an der Unbedingtheit der herrschenden Lehre kamen bei den Psychiatern auf, als sie mit einer wachsenden Zahl heimkehrender Soldaten konfrontiert wurden, die psychisch deutlich verändert erschienen, auffällige Kontaktschwierigkeiten offenbarten und große Probleme hatten, sich wieder in das Familien- und Arbeitsleben zu integrieren.96 Zwar bestanden die Nervenärzte zunächst weiter darauf, die Symptome der Heimkehrer würden weder im kausalen Zusammenhang mit den Kriegserlebnissen noch mit ihren Erfahrungen in der Kriegsgefangenschaft stehen.97 Doch bewirkten die intensiven Bemühungen Konrad Adenauers (1876-1967) um die Repatriierung insbesondere der Gruppe der so genannten Spätheimkehrer aus den Gefangenenlagern der Sowjetunion, dass auch ihr versorgungsrechtlicher Status zunehmend zu einem Politikum wurde.98 In dieser Situation mussten sich die Psychiater zur Berentungsfrage neu positionieren. Sie taten dies, indem sie sich Erklärungsansätze aus der Inneren Medizin zu eigen machten.

Die Internisten interpretierten die Symptome der Soldaten als Folgen einer Dystrophie-Erkrankung, also einer durch Mangelernährung in den Kriegsgefangenenlagern hervorgerufenen organischen Entwicklungsstörung.99 Die unerwartet langen Ausheilungszeiten der organischen Schädigungen führten sie wesentlich auf die außerordentlich schweren physischen und psychischen Belastungen während der Gefangenschaft zurück.100 An dieser diagnostischen und ätiologischen Herangehensweise der Inneren Mediziner nahmen dann die Psychiater ihre Anleihen, und so gingen auch sie dazu über, die bei den Spätheimkehrern auftauchenden psychischen Auffälligkeiten als Begleit- oder Folgeerscheinungen organischer Schäden zu interpretieren. Um an ihren zentralen Ansichten festzuhalten, vollzogen die Psychiater einen konzeptionellen Ausweichschritt, indem sie fortan bei einigen Fällen von einer dystrophiebedingten Hirnschädigung ausgingen, die für die Entstehung der psychisch auffälligen Wesensänderung der Veteranen verantwortlich sei. Einhellig beeilten sich die Psychiater jedoch zu betonen, dass es sich bei dieser Art der Erkrankung um absolute Ausnahmen handele und sich an der psychiatrischen Ausrichtung in Entschädigungsfragen nichts Grundlegendes ändere.101 Den Veteranen wurden zudem lediglich zwei bis drei Jahre für die Dauer ihrer Rekonvaleszenz eingeräumt. Lag die Kriegsgefangenschaft demnach bereits mehrere Jahre zurück, ließen sich die Beschwerden nicht mehr in den Symptomkomplex der Dystrophie einordnen.102

Der Durchbruch bei den Berentungsverfahren seelisch versehrter Kriegsteilnehmer ließ somit weiter auf sich warten. Erst Ende der 1950er Jahre kam durch zunehmende Kritik an einer restriktiven westdeutschen Entschädigungspraxis diese apodiktisch angewandte Lehrmeinung ins Wanken. Auf internationalen Druck hin suchten psychiatrische Gutachter im Zuge geltend gemachter Entschädigungsansprüche von NS-Verfolgten nach Lösungen, um bei den Opfern einen Zusammenhang zwischen ergangenem Unrecht (z.B. KZ-Haft) und dem Auftreten einer seelischen Erkrankung herzustellen.103 An der Entscheidungsfindung waren unterschiedliche Akteure beteiligt: Neben ausgewählten Universitätspsychiatern, den leitenden Ärzten der Entschädigungsbehörden, Juristen und hohen Beamten der Ministerialbürokratie nahmen auch Ärzte aus dem Ausland, Opferverbände und sogar das Auswärtige Amt an diesem Aushandlungsprozess teil, in dessen Verlauf ein neues psychiatrisches Wissen in Deutschland etabliert wurde.104 Das Auftreten einer psychischen Erkrankung war nun nicht mehr in jedem Fall einzig und allein auf endogene Ursachen zurückzuführen. Auch hier waren es somit primär außerwissenschaftliche Faktoren, die eine Veränderung in der psychiatrischen Begutachtungspraxis einleiteten. Diese Nachjustierung im Hinblick auf die Ätiologie psychischer Krankheiten wirkte sich auf den versorgungsrechtlichen Umgang mit seelisch erkrankten Kriegsteilnehmern dahingehend aus, dass ihnen mit Beginn der 1960er Jahre zumindest partiell eine „Ehrenrente“ zugesprochen wurde. Doch die psychiatrische Skepsis den Veteranen gegenüber, ob der Ausbruch der psychischen Krankheit tatsächlich etwas mit den Erlebnissen während des Kriegseinsatzes zu tun hatte, blieb bestehen. Und man kann sagen, dass sie sich fast bis zum heutigen Tage nachzeichnen lässt.

Richtet man den Blick auf die aktuelle Versorgungssituation der seelisch erkrankten Afghanistan-Veteranen, tritt ein bemerkenswerter Befund zu Tage. So wurde in den bisher wegen PTBS durchgeführten Verfahren bei weniger als einem Drittel der Soldaten eine Wehrdienstbeschädigung anerkannt.105 Die hohe Zahl der abgelehnten Fälle ist vor allem auf die Weigerung der Gutachter zurückzuführen, eine Kausalität zwischen Kampfeinsatz und der Entstehung der psychischen Erkrankung anzuerkennen, insbesondere dann, wenn die Symptome in einem größeren zeitlichen Abstand zum Einsatz auftreten.106

Doch allem Anschein nach hat die mediale Präsenz und die öffentliche Debatte um den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan und deren Risiko, traumatisiert in die Heimat zurückzukehren, für ein Umdenken in der Politik gesorgt.107 Am 28. Oktober 2011 passierte das so genannte „Einsatzversorgungsverbesserungsgesetz“ den Deutschen Bundestag, das die Rechte der kriegsversehrten deutschen Soldaten stärkt. Ein Kernpunkt dieses Gesetzesentwurfs besteht darin, dass den Soldaten künftig die Anerkennung ihrer seelischen Schäden erleichtert werden soll.108

Heutzutage herrscht offensichtlich in Politik und Bundeswehrpsychiatrie weitgehende Einigkeit darüber, dass die bisher für die Veteranen mitunter quälend langen Anerkennungsverfahren die Betroffenen häufig auch in ernste wirtschaftliche Bedrängnis bringen – und dies wiederum ernstzunehmende Konsequenzen für die Behandlung zur Folge hat. Mit anderen Worten: Menschen, die sich um ihre tägliche Existenz Sorgen machen müssen, haben keine zusätzlichen Ressourcen frei, sich auch noch einer Traumatherapie zu unterziehen und sich dem Erlebten nochmals zu stellen; von der Frustration, die der Soldat angesichts der fehlenden Anerkennung für seinen leidvollen Einsatz gegenüber Militär, Politik und Gesellschaft empfindet, ganz zu schweigen.109 Auch Enttäuschung, Ärger und Wut über die mangelhafte psychosoziale und finanzielle Unterstützung, so der langjährige Hamburger Bundeswehrpsychiater Karl-Heinz Biesold, können zur Chronifizierung der psychischen Erkrankung beitragen. Es muss also zunächst die soziale Sicherheit gewährleistet sein, bevor eine Psychotherapie erfolgversprechend begonnen werden kann.110

Resümee

Die so genannte herrschende psychiatrische Lehre im Umgang mit psychisch kranken Soldaten hatte im Ersten Weltkrieg ihre Geburtsstunde, doch bis sie zum ausschließlich akzeptierten und vor allem in der Praxis umgesetzten Krankheitskonzept wurde, vergingen noch einige Jahre. Deutlich wird dies an den Berentungsverfahren ehemaliger Kriegsteilnehmer. Während bis zum Ende der Weimarer Republik – und dies trotz aller Proteste durch führende Psychiater – seelisch kranke Veteranen des Ersten Weltkrieges in das Fürsorgesystem integriert blieben, änderte sich der versorgungsrechtliche Umgang sowie die psychiatrische Begutachtungspraxis mit der vom Kabinett Hitler im Juli 1934 verabschiedeten Gesetzesänderung „über das Verfahren in Versorgungssachen“ umfassend und auch rückwirkend. Ein Zusammenhang zwischen den Kriegserlebnissen und der seelischen Erkrankung wurde nunmehr gesetzlich ausgeschlossen. Für Psychiater wie Karl Bonhoeffer oder Max Nonne, die sich seit 1916 für die Durchsetzung ihrer Lehrmeinung stark gemacht hatten, bedeutete die Gesetzesnovelle die Verwirklichung einer lange gehegten, aber durch den Parlamentarismus des Weimarer Sozialstaates verhinderten Zielvorstellung.111

Bei dem Bestreben der NS-Regierung, die als „Volksschädlinge“ und „Schmarotzer“ stigmatisierten psychisch kranken Soldaten aus dem Versorgungssystem auszuschließen, diente die bereits weit vor 1933 entwickelte „herrschenden Lehre“ als perfekte Legitimationsstrategie. Dabei stellten die Protagonisten dieser militärpsychiatrischen Theorie ab 1933 die Erbanlage als Entstehungsfaktor der Kriegsneurose noch stärker in den Vordergrund. Fortan wurden die psychischen Symptome der Kriegsteilnehmer ausschließlich mit ihrer angeborenen Minderwertigkeit erklärt. Damit folgten sie dem vom NS-Staat forcierten erbpsychiatrischen Forschungstrend. Ihr tradiertes Konzept mussten sie hierfür jedoch weder verraten noch neu erfinden, sondern lediglich leicht modifizieren, waren doch erbpsychiatrische und rassenhygienische Erklärungsmuster der herrschenden psychiatrischen Lehre von Beginn an inhärent.

Als Folge der repressiven Versorgungs- und Begutachtungspraxis des „Dritten Reiches“ wurden psychisch kranke Kombattanten beider Weltkriege systematisch aus der staatlichen Fürsorge ausgeschlossen. Da an dieser Tradition auch nach 1945 zunächst festgehalten wurde, war es in der Bundesrepublik für lange Zeit unmöglich, seelisch versehrten Kriegsteilnehmern eine Wehrdienstbeschädigung zu bescheinigen und eine entsprechende Rente zu bewilligen.

Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis in die 1960er Jahre hinein kämpften Psychiater zum Teil vehement gegen die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung psychisch kranker Soldaten, weil sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Kriegsgeschehen verneinten und obendrein unterstellten, eine Versorgungsrente würde dem Heilungsprozess des Veteranen entgegenwirken. Erst als im Kontext der psychischen Schäden so genannter Spätheimkehrer sowie der Entschädigungsforderungen traumatisierter Opfer des NS-Regimes der politische Druck auf die Psychiater zunahm, überdachten diese ihre „herrschende Lehre“ und lockerten – wenn auch nur zögerlich – ihre starre Rentenverweigerungshaltung. Doch auch für die darauffolgenden Jahrzehnte lässt sich innerhalb der Militärpsychiatrie eine gewisse Berentungsskepsis ausmachen. Erst seit Kurzem insistieren Bundeswehrpsychiater darauf, dass eine gesundheitsrechtliche und finanzielle Anerkennung der im militärischen Einsatz erlittenen seelischen Erkrankungen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie zu gelten hat. Diese Haltung spiegelt sich auch in dem 2011 vom Bundestag verabschiedeten „Einsatzversorgungsverbesserungsgesetz“ wider, das insbesondere für traumatisierte Afghanistan-Veteranen bessere Versorgungsleistungen vorsieht. Sollten sich diese parlamentarischen Beschlüsse in der psychiatrischen Begutachtungspraxis niederschlagen, so würde dies – auch aus historischer Perspektive – einen Meilenstein in der Versorgung seelisch erkrankter Soldaten und Veteranen bedeuten.

Dass ein derartig grundlegender Wandel geraume Zeit in Anspruch nimmt, ist die Quintessenz dieses Beitrages. Durch den medizinhistorischen Fokus auf die Genese kriegsbedingter Leiden wird einerseits deutlich, wie sehr sowohl Konstituierung als auch Revidierung psychiatrischer Lehrmeinungen und Konzepte stets von außerwissenschaftlichen Faktoren beeinflusst werden – und umgekehrt: wie nachhaltig Psychiater durch ihre Begutachtung selbst in die Produktion sozialer Wirklichkeiten eingreifen.112 Es lässt sich jedoch andererseits konstatieren, dass ein von oben initiierter Paradigmenwechsel sich selbst in autoritären Institutionen wie der Militärpsychiatrie nicht umgehend in die Praxis umsetzen lässt. Es zeigt sich eben auch, über welche internen Beharrungskräfte das Fach verfügt. Nicht zuletzt deshalb waren ihre hergebrachten Auffassungen in der Bundesrepublik so schwer zu überwinden. Die Entwicklung der Militärpsychiatrie nach dem Zweiten Weltkrieg spiegelt somit auch die Geschichte eines zähen Festhaltens an vermeintlich erprobten Praktiken, Theorien und Konzepten wider.

  • 1. Siehe hierzu die Überblicksdarstellungen zur Militärpsychiatrie von Ben Shephard, A War of Nerves. Soldiers and Psychiatrists in the Twentieth Century, Cambridge 2001; Hans Binneveld, From Shellshock to Combat Stress. A Comperative History of Military Psychiatry, Amsterdam 1997; Edgar Jones/Simon Wesley, From Shell Shock to PTSD. Military Psychiatry from 1900 to the Gulf War, Hove 2005.
  • 2. Vgl. John A. Parrish, Geleitwort. Krieg und Medizin in Vergangenheit und Zukunft. In: Krieg und Medizin, hrsg. vom Deutschen Hygiene Museum und der Wellcome Collection, Göttingen 2009, S. 9.
  • 3. Zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der PTBS siehe u.a. Wilbur J. Scott, Ptsd in Dsm-III. A Case in the Politics of Diagnosis and Disease. In: Social Problems 37 (1990), S. 294-310 sowie Ruth Leys, Trauma. A Geneaology, Chicago 2000. Zu kritischen Debatten um diese Diagnose siehe Gerald M. Rosen (Hrsg.), Posttraumatic Stress Disorders. Issues and Controversies, Chicester 2004.
  • 4. Vgl. Babette Quinkert/Philipp Rauh/Ulrike Winkler, Einleitung. In: Dies. (Hrsg.), Krieg und Psychiatrie 1914-1950 (= Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus Nr. 26), Göttingen 2010, S. 9-28, hier S. 16.
  • 5. Siehe Allen Allan Young, The Harmony of Illusions. Inventing Post-Traumatic Stress Disorder, Princeton 1995.
  • 6. Vgl. Eric Leed, No Man’s Land, Combat and Identity in World War I, Cambridge 1979, S. 163-192; Bernd Ulrich/Benjamin Ziemann (Hrsg.), Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente, Frankfurt/Main 1994, S. 102-109.
  • 7. Zur Militärpsychiatrie im Ersten Weltkrieg liegt mittlerweile eine breite Forschungsliteratur vor. An grundlegenden Arbeiten seien genannt: Peter Riedesser/Axel Verderber, „Maschinengewehre hinter der Front“. Zur Geschichte der Militärpsychiatrie, Frankfurt/Main 1996; Paul Lerner, Hysterical Men. War, Psychiatry, and the Politics of Trauma in Germany, 1890-1930, New York 2003; Julia Barbara Köhne, Kriegshysteriker. Strategische Bilder und mediale Techniken militärpsychiatrischen Wissens (1914-1920), Husum 2009.
  • 8. Die Diskussionen auf der kriegspsychiatrischen Tagung in München beleuchtet Paul Lerner, Nieder mit der traumatischen Neurose, hoch die Hysterie. Zum Niedergang und Fall des Hermann Oppenheim (1889-1919). In: Psychotherapie 2 (1997), S. 16-22. Siehe neuerdings auch Philipp Rauh, Die militärpsychiatrischen Therapiemethoden im Ersten Weltkrieg – Diskurs und Praxis. In: Hans-Walter Schmuhl/Volker Roelcke (Hrsg.), „Heroische Therapien“. Die deutsche Psychiatrie im internationalen Vergleich (1918-1945), Göttingen 2013, S. 31-49, hier v.a. S. 33-35.
  • 9. Zum Kongress der Militärinternisten siehe Philipp Rauh, „Der Sieg für die stärksten Herzen“ – Die Warschauer Internistentagung im Mai 1916 und die Diskussionen um den Umgang mit erschöpften und herzkranken Soldaten im Ersten Weltkrieg. In: Ute Caumanns/Fritz Dross/Anita Magowska (Hrsg.), Medizin und Krieg in historischer Perspektive, Frankfurt/Main 2012, S. 388-397.
  • 10. Siehe hierzu Paul Lerner, Rationalizing the Therapeutic Arsenal. German Neuropsychiatry in the First World War. In: Geoffrey Cocks/Manfred Berg (Hrsg.), Medicine and Modernity. Public Health and Medical Care in the 19th and 20th-Century, New York 1997, S. 121-148.
  • 11. Zur Geschichte der traumatischen Neurose wegweisend: Esther Fischer-Homberger: Die traumatische Neurose. Vom somatischen zum sozialen Leiden, Bern/Stuttgart/Wien 1975.
  • 12. Lerner, Nieder mit der traumatischen Neurose, S. 17.
  • 13. Siehe Rauh, Therapiemethoden, S. 32f.
  • 14. Max Nonne, Anfang und Ziel meines Lebens, Hamburg, 1971, S. 179f.; zit. n. Lerner, Nieder mit der traumatischen Neurose, S. 21.
  • 15. Dietrich Milles/Rainer Müller, Auftrag und Begrenzung der Gewerbehygiene. In: Sigrid Stöckel/Ulla Walter (Hrsg.), Prävention im 20. Jahrhundert. Historische Grundlagen und aktuelle Entwicklungen in Deutschland, München 2002, S. 39-51, hier S. 46.
  • 16. Lerner, Nieder mit der traumatischen Neurose, S. 17-19.
  • 17. Siehe Hans-Georg Hofer, Nervenschwäche und Krieg. Modernitätskritik und Krisenbewältigung in der österreichischen Psychiatrie (1880-1920), Wien/Köln/Weimar 2004, S. 350-358.
  • 18. Die historische Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass die Geschichte der Eugenik die Geschichte eines internationalen Phänomens ist, dass in völlig unterschiedlichen politischen Systemen Gestalt annehmen konnte und das einerseits eng mit der Geschichte der (psychiatrischen) Genetik und andererseits mit der Entwicklung staatlicher Sozialpolitik verknüpft ist. In diesem Zusammenhang ist auch die Geschichte der deutschen Rassenhygiene zu sehen. Eugenik und Rassenhygiene sind dabei zumindest in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts häufig synonym verwendete Begriffe. Zwar gab es in Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern stärkere Diskussionen um den Rassebegriff. Diese Debatten änderten jedoch nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung der deutschen Rassenhygiene, die sich zumindest bis Mitte der 1930er Jahre hinein primär gegen „Erbkranke“ der eigenen Rasse – psychisch Kranke und geistig Behinderte – und gegen gesellschaftliche Randgruppen wie Kriminelle, Alkoholiker und Fürsorgebedürftige, deren normbrechendes Verhalten auf genetische Anomalien zurückgeführt wurde, richtete. In diesem Kontext sind auch die Bestrebungen der im vorliegenden Text dargestellten Psychiater der „herrschenden Lehre“ zu sehen. Grundsätzlich grenzten sich die Rassenhygieniker während der Weimarer Republik bewusst von der sich ebenfalls im ausgehenden 19. Jahrhundert formierenden Rassenanthropologie ab. Diese wandte sich, basierend auf der Annahme einer Ungleichwertigkeit der verschiedenen Rassen, gegen fremde Rassen und gegen „rassische“ Minderheiten im eigenen Land. Die Grenzen zwischen Rassenhygienikern und Rassenanthropologen wurden aufgrund des im Nationalsozialismus erweiterten Forschungsgebietes der Rassenhygiene zunehmend aufgehoben. Die von nun an enge Verwobenheit der beiden Stränge nationalsozialistischer Rassenideologie fand ihren gesetzgeberischen Ausdruck in den 1935 zum „Schutz deutschen Blutes“ erlassenen „Nürnberger Gesetzen“ und dem „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit“. Zum Nürnberger Gesetz siehe Anahid S. Rickmann, „Rassenpflege im völkischen Staat“. Vom Verhältnis der Rassenhygiene zur nationalsozialistischen Politik, Diss. phil. 2002, S. 157-186. Einen konzisen Überblick über die mittlerweile reichhaltige Forschungsliteratur zur Geschichte von Rassenhygiene und Eugenik liefert Hans-Walter Schmuhl, Eugenik und Rassenanthropologie. In: Robert Jütte (Hrsg.), Medizin und Nationalsozialismus. Bilanz und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2011, S. 24-38.
  • 19. Siehe ebd., S. 26 sowie Volker Roelcke, Deutscher Sonderweg? Die eugenische Bewegung in europäischer Perspektive bis in die 1930er Jahre. In: Maike Rotzoll et. al. (Hrsg.), Die nationalsozialistische „Euthanasie“-Aktion T4. Geschichte und ethische Konsequenzen in der Gegenwart, Paderborn u.a. 2010, S. 45-55, hier S. 48.
  • 20. Der Befund eines rassenhygienischen Erklärungsmusters, das die Erkrankung des Soldaten auf dessen minderwertiges Erbgut zurückführte, war jedoch nicht nur auf den militärpsychiatrischen Diskurs beschränkt, sondern lässt sich beispielsweise auch bei den führenden Militärinternisten nachvollziehen. Auch sie verwiesen während ihrer Kriegstagung 1916 auf die schlechten Erbanlagen der Soldaten, die nach ihrer Ansicht entscheidend zur Entstehung physischer Erschöpfungszustände beitrugen. Dies deutet darauf hin, dass während des Ersten Weltkrieges rassenhygienische Denkmuster zu einer der Leitvorstellungen innerhalb der gesamten Militärmedizin aufstiegen. Zur Geschichte der Militärinternisten im Ersten Weltkrieg siehe Philipp Rauh, Die Behandlung der erschöpften Soldaten im Ersten Weltkrieg. In: Livia Prüll/Philipp Rauh (Hrsg.), Krieg und medikale Kultur. Patientenschicksale und ärztliches Handeln in der Zeit der Weltkriege (1914-1945), S. 90-125. Generell zur Bedeutung der Rassenhygiene für die Medizin im Ersten Weltkrieg siehe Cay-Rüdiger Prüll, Die Bedeutung des Ersten Weltkriegs für die Medizin im Nationalsozialismus. In: Gerd Krumeich (Hrsg.), Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg, Essen 2010, S. 363-378, hier S. 366.
  • 21. Julius Tandler, Krieg und Bevölkerung. In: Wiener Klinische Wochenschrift 29 (1916), S. 446. Vgl. hierzu auch Maria A. Wolf, Eugenische Vernunft. Eingriffe in die reproduktive Kultur durch die Medizin, Wien/Köln/Weimar 2008, S. 169.
  • 22. Zu Gaupp siehe ausführlich Claudia Leins, Robert Gaupp. Leben und Werk, med. Diss. med., Tübingen 1991.
  • 23. Zum psychiatrischen Konzept Gaupps siehe Martin Leonhardt, Mehrdimensionale Psychiatrie. Robert Gaupp, Ernst Kretschmer und die Tübinger Schule. In: Hans Hippius (Hrsg.), Universitätskolloquien zur Schizophrenie, Bd. 2, Darmstadt 2004, S. 367-381, hier S. 370f.
  • 24. Siehe hierzu Volker Roelcke, Die Entwicklung der Psychiatrie zwischen 1880 und 1932: Theoriebildung, Institutionen, Interaktionen mit zeitgenössischer Wissenschafts- und Sozialpolitik. In: Rüdiger vom Bruch/Brigitte Kaderas (Hrsg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 109-124, hier S. 110-116.
  • 25. Siehe hierzu Heinz-Peter Schmiedebach, Eine „antipsychiatrische Bewegung“ um die Jahrhundertwende. In: Martin Dinges (Hg.)(Hrsg.), Medizinkritische Bewegungen im Deutschen Reich (ca. 1870 - ca. 1933), Stuttgart 1996, S. 127-161.
  • 26. Einen Überblick über die rigiden militärpsychiatrischen Therapiemethoden im Ersten Weltkrieg bietet Petra Peckl, Krank durch die „seelischen Einwirkungen des Feldzuges“? Psychische Erkrankungen der Soldaten im Ersten Weltkrieg und ihre Behandlung. In: Prüll/Rauh, Krieg und medikale Kultur, S. 30-89, hier: S. 45-51.
  • 27. Siehe Fritz Kaufmann, Die planmäßige Heilung komplizierter psychogener Bewegungsstörungen bei Soldaten in einer Sitzung. In: Münchener Medizinische Wochenschrift 63 (1916), S. 802-804.
  • 28. Zu den Beharrungskräften der „herrschenden Lehre“ siehe die Studien von Stephanie Neuner, Politik und Psychiatrie. Die staatliche Versorgung psychisch Kriegsbeschädigter in Deutschland (1920-1939), Göttingen 2011 sowie Svenja Goltermann, Die Gesellschaft der Überlebenden. Deutsche Kriegsheimkehrer und ihre Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg, München 2009.
  • 29. Zu den Forschungsergebnissen aus diesem Projekt siehe den kürzlich erschienenen Projektband von Prüll/Rauh, Krieg und medikale Kultur; hierin v.a. der Beitrag von Peckl, Krank.
  • 30. Siehe hierzu die Ausführungen in: Peckl, Krank, S. 53-59.
  • 31. Siehe insbesondere Riedesser/Verderber, „Maschinengewehre“, die das Freud-Zitat als Titel führen.
  • 32. Vgl. Prüll, Die Bedeutung, S. 378.
  • 33. Siehe hierzu Peckl, Krank, S. 80-87.
  • 34. Ewald Stier, Rentenversorgung bei nervösen und psychisch erkrankten Feldzugsteilnehmern. In: Handbuch der Ärztlichen Erfahrungen im Weltkriege 1914/1918, hrsg. v. Otto von Schjerning, Band IV: Geistes- und Nervenkrankheiten, hrsg. v. Karl Bonhoeffer, Erster Teil, Leipzig 1922, S. 168-193, hier S. 173.
  • 35. Zit. n. ebd.
  • 36. Ebd., S. 191.
  • 37. Vgl. Susanne Michl, Im Dienste des „Volkskörpers“. Deutsche und französische Ärzte im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2007, S. 273.
  • 38. Robert Gaupp, Die Frage der Dienstbeschädigung bei den Neurosen. In: Medicinisches Correspondenz-Blatt des Württembergischen ärztlichen Landesvereins 87 (1917), S. 183-188, hier S. 188.
  • 39. Stier, Rentenversorgung, S. 168-171.
  • 40. Vgl. Hans-Ludwig Siemen, Das Grauen ist vorprogrammiert. Psychiatrie zwischen Faschismus und Atomkrieg, Gießen 1982, S. 14f.
  • 41. Vgl. Quinkert, et. al., Einleitung, S. 18.
  • 42. Max Nonne, Therapeutische Erfahrungen an den Kriegsneurosen in den Jahren 1914 bis 1918. In: Handbuch, Bd. 4, S. 102-121, hier: S. 112.
  • 43. Siehe hierzu Gabriele Moser, Der Arzt im Kampf gegen „Begehrlichkeit und Rentensucht“ im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik. In: Jahrbuch für kritische Medizin, Bd. 16, Das Risiko zu erkranken, Hamburg 1991, S. 161-183.
  • 44. Vgl. Riedesser/Verderber, „Maschinengewehre“, S. 103-107.
  • 45. Zu Falthauser siehe Ulrich Pötzl, Sozialpsychiatrie, Erbbiologie und Lebensvernichtung. Valentin Faltlhauser, Direktor der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee in der Zeit des Nationalsozialismus, Husum 1995.
  • 46. Vgl. Doris Kaufmann, Widerstandsfähige Gehirne und kampfesunlustige Seelen. Zur Mentalitäts-und Wissenschaftsgeschichte des Ersten Weltkrieges. In: Michael Hagner (Hrsg.), Ecce Cortex. Beiträge zur Geschichte des Modernen Gehirns, Göttingen 1999, S. 206-223, hier S. 220.
  • 47. Zu Panse siehe die biografische Skizze von Peter Forsbach, Friedrich Panse – etabliert in allen Systemen. Psychiater in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ und in der Bundesrepublik. In: Der Nervenarzt 3 (2012), S. 329-336.
  • 48. Vgl. Friedrich Panse, Das Schicksal von Renten- und Kriegsneurotikern nach Erledigung ihrer Ansprüche. In: Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 77 (1926), S. 61-92.
  • 49. Ebd., S. 84.
  • 50. Vgl. Neuner, Politik, S. 123f.
  • 51. Die Informationen zu Max G. basieren auf den Angaben in seiner Krankenakte; Bundesarchiv Berlin (BAB), R 179/12341.
  • 52. Nonne, Therapeutische Erfahrungen, S. 118.
  • 53. Siehe Neuner, Politik, S. 165-197.
  • 54. Vgl. ebd., S. 91-134 sowie S. 196f.
  • 55. Zur (anfänglichen) Skepsis vieler Psychiater der Weimarer Republik gegenüber siehe David Freis, Die „Psychopathen“ und die „Volksseele“. Psychiatrische Diagnosen des Politischen und die Novemberrevolution 1918/1919. In: Schmuhl/Roelcke, „Heroische Therapien“, S. 48-68.
  • 56. Vgl. Robert W. Whalen, Bitter Wounds. German Victims of the Great War (1914-1939), Ithaca u.a. 1984, S. 141-153.
  • 57. Siehe Christine Beil, Zwischen Hoffnung und Verbitterung. Selbstbild und Erfahrungen von Kriegsbeschädigten in den ersten Jahren der Weimarer Republik. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 46 (1998), S. 139-157.
  • 58. Siehe hierzu ausführlich: Nils Löffelbein, Ehrenbürger der Nation. Die Kriegsbeschädigten des Ersten Weltkriegs in Politik und Propaganda des Nationalsozialismus, Essen 2013.
  • 59. Vgl. Neuner, Politik und Psychiatrie, S. 201f.
  • 60. Zur NS-Rassenhygiene siehe Hans-Walter Schmuhl, Rassenhygiene, Nationalsozialismus, Euthanasie. Von der Verhütung zur Vernichtung "lebensunwerten Lebens" (1890-1945), Göttingen 1992. Weiterhin auch: Rickmann, „Rassenpflege“.
  • 61. Siehe Neuner, Politik und Psychiatrie, S. 197-208.
  • 62. Das Gesetz wurde vom Reichskanzler Adolf Hitler am 3.7.1934 ausgefertigt, vgl. hierzu Reichsgesetzblatt (RGBl.) 1934, Teil I, S. 544-547. Zur Durchführung des „Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Versorgungssachen“ siehe die Verordnungen im RGBl. 1934, Teil I, S. 547 f., S. 774 und S. 1113-1136.
  • 63. Zu den Auswirkungen der Gesetzesänderung über das Verfahren in Versorgungssachen siehe Jason Crouthamel, Hysterische Männer? Traumatisierte Veteranen des Ersten Weltkrieges und ihr Kampf um Anerkennung im „Dritten Reich“. In Quinkert/Rauh/Winkler, Krieg und Psychiatrie, S. 29-53, hier S. 33-35.
  • 64. Vgl. ebd., S. 34.
  • 65. Vgl. Neuner, Politik und Psychiatrie, S. 197 bzw. 230.
  • 66. Siehe hierzu Volker Roelcke, Psychiatrische Wissenschaft im Kontext nationalsozialistischer Politik und „Euthanasie“. Zur Rolle Ernst Rüdins und der Deutschen Forschungsgesellschaft für Psychiatrie/Kaiser-Wilhelm-Institut für Psychiatrie. In: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000, S. 112-150.
  • 67. Vgl. Neuner, Politik und Psychiatrie, S. 217-219.
  • 68. Vgl. Philipp Rauh, Von Verdun nach Grafeneck. Die psychisch kranken Veteranen des Ersten Weltkrieges als Opfer der nationalsozialistischen Krankenmordaktion T4. In: Quinkert/Rauh/Winkler, Krieg und Psychiatrie, S. 54-74, hier S. 58.
  • 69. Siehe Roelcke, Deutscher Sonderweg?, S. 53.
  • 70. Vgl. Neuner, Politik und Psychiatrie, S. 198f.
  • 71. Siehe hierzu im Detail Rauh, Von Verdun nach Grafeneck.
  • 72. Zum Begutachtungs- und Meldebogenverfahren der „Aktion T4“ siehe Philipp Rauh, Medizinische Selektionskriterien versus ökonomisch-utilitaristische Verwaltungsinteressen – Ergebnisse der Meldebogenauswertung. In: Rotzoll et. al., Die nationalsozialistische „Euthanasie“, S. 297-309.
  • 73. Vgl. BAB, R 179/12341.
  • 74. Zur Heeressanitätsinspektion im Zweiten Weltkrieg siehe die grundlegende Arbeit von Alexander Neumann, „Arzttum ist immer Kämpfertum“. Die Heeressanitätsinspektion und das Amt „Chef des Wehrmachtssanitätswesens“ im Zweiten Weltkrieg (1939-1945), Düsseldorf 2005.
  • 75. Vgl. Klaus Blaßneck, Militärpsychiatrie im Nationalsozialismus. Kriegsneurotiker im Zweiten Weltkrieg, Würzburg 2000, S. 31.
  • 76. Ebd.
  • 77. Siehe Georg Berger, Die Beratenden Psychiater des deutschen Heeres (1939-1945), Frankfurt/Main u.a. 1998.
  • 78. Zu den Aufgaben der Beratenden Psychiater siehe ebd., S. 41-43.
  • 79. Vgl. Blaßneck, Militärpsychiatrie, S. 34-39.
  • 80. Richard Jung, Einleitung zur Kriegspsychiatrie. In: Hans Walter Gruhle/Rudolf Jung/Willi Mayer-Gross (Hrsg.), Psychiatrie der Gegenwart. Forschung und Praxis, Band 3: Soziale und angewandte Psychiatrie, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1961, S. 570f.
  • 81. Vgl. Shephard, A War, S. 308.
  • 82. Vgl. hierzu Rolf Valentin, Die Krankenbataillone. Sonderformationen der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg, Düsseldorf 1981.
  • 83. Vgl. Karl-Heinz Roth, Die Ursprünge der Triage im Zweiten Weltkrieg. NS-Psychiater gegen Ausgebombte und Kriegsneurotiker. In: Bastian Till, Friedensnobelpreis für 140.000 Ärzte, Reinbek 1985, S. 29.
  • 84. Die „Lehren des Ersten Weltkriegs“ wurden auch in anderen Ländern ausgewertet. Vgl. Mark Harrison, Krieg und Medizin im Zeitalter der Moderne. In: Medizin und Krieg, S. 24.
  • 85. Zu den verschiedenen Behandlungsmethoden siehe Blaßneck, Militärpsychiatrie, S. 55-64.
  • 86. Zum „Pansen“ siehe Ronald Hilpert, Rekonstruktion der Geschichte eines speziellen Elektrosuggestivverfahrens („Pansen“) aus Archivmaterialien des Heeressanitätswesens der Wehrmacht und dessen Einordnung in das Kriegsneurosenproblem des Zweiten Weltkriegs, Diss. med., Leipzig 1995.
  • 87. Siehe hierzu Berger, Die Beratenden, S. 116f.
  • 88. Bundesarchiv-Militärarchiv, RH 12-23/1971: Richtlinien für die Beurteilung von Soldaten mit seelisch-nervösen Abartigkeiten („Psychopaten“) und seelisch-nervösen Reaktionen sowie für die Überweisung in Sonderheiten (1943); zit. n. Peter Steinkamp, Patientenschicksale und ärztliches Handeln im Zweiten Weltkrieg. In: Prüll/Rauh, Krieg und medikale Kultur, 153-233, hier S. 200.
  • 89. Vgl. ebd., S. 196-203.
  • 90. Siehe Christine Beil, „…überaus harte Maßnahmen müssen getroffen werden. Wehrmachtssoldaten als Opfer nationalsozialistischer „Euthanasie“-Morde. In: Neue Zürcher Zeitung vom 28.9.2002.
  • 91. Vgl. Blaßneck, Militärpsychiatrie, S. 23.
  • 92. Hans Müller, Vorläufiger Sanitätsbericht des deutschen Heeres 1939-1943, Manuskript, o.D. Zu einer Fertigstellung des Sanitätsberichtes sollte es aufgrund der sich dramatisch verschlechternden Kriegssituation nicht mehr kommen.
  • 93. Kurt Günther, Sammlung und Auswertung ärztlicher Gutachten aus der Kriegsbeschädigtenversorgung (Reichsversorgung) über die Bedeutung äußerer Einflüsse für Entstehung und Verlauf chronischer Leiden, Leipzig 1940 [Arbeit und Gesundheit. Sozialmedizinische Schriftenreihe aus dem Gebiete des Reichsarbeitsministeriums, Heft 38], Leipzig 1940, S. 27.
  • 94. Zur Ausrichtung der bundesrepublikanischen Militärpsychiatrie siehe Philipp Rauh, Der lange Schatten der herrschenden Lehre. Die Entwicklung der Militärpsychiatrie nach 1945. In: Prüll/Rauh, Krieg und medikale Kultur, S. 234-255.
  • 95. Vgl. hierzu Ben Shephard, A War, S. 306-309.
  • 96. Zum medizinischen, (sozial-)politischen und gesellschaftlichen Umgang mit den Wehrmachtssoldaten nach 1945 siehe im Detail Goltermann, Die Gesellschaft.
  • 97. Vgl. ebd., S. 199.
  • 98. Zu Adenauers Bemühungen, die deutschen Kriegsgefangenen aus der SU-Haft loszueisen, siehe Werner Kilian, Adenauers Reise nach Moskau, Freiburg i. Br. 2005.
  • 99. Vgl. Goltermann, Die Gesellschaft, S. 199.
  • 100. Ebd., S. 219.
  • 101. Ebd., S. 215.
  • 102. Ebd., S. 219f.
  • 103. Ebd., S. 205.
  • 104. Ebd., S. 439f.
  • 105. Die Zahlen sind den Berichten des Wehrbeauftragten an den deutschen Bundestag entnommen. Vgl. Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten (Reinhold Robbe), Jahresbericht 2009 vom 16.3.2010, S. 56 sowie Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten (Hellmuth Königshaus), Jahresbericht 2010 vom 25.1.2011, S. 27.
  • 106. Siehe hierzu Martin Leonhardt/Klaus Foerster, Probleme bei der Begutachtung der posttraumatischen Belastungsstörung. In: Der Medizinische Sachverständige 99 (2003), S. 150-155.
  • 107. Siehe hierzu Quinkert/Rauh/Winkler, Einleitung, S. 27f.
  • 108. Vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 17/7143 vom 26.9.2011, Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgung bei besonderen Auslandsverwendungen (Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz – EinsatzVVerbG).
  • 109. Anregend hierzu Jonathan Shay, Achill in Vietnam. Kampftrauma und Persönlichkeitsverlust, Hamburg 1998.
  • 110. Siehe Karl-Heinz Biesold, Einsatzbedingte Störungen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 48 (2009), S. 42-46, hier S. 45f.
  • 111. Siehe Neuner, Politik und Psychiatrie, S. 221f.
  • 112. Wegweisend hierzu Lutz Raphael, Die Verwissenschaftlichung des Sozialen als methodische und konzeptionelle Herausforderung für eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts. In: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 165-193.