Eine Verwaltungskarriere zwischen Wehrmacht und bayerischem Finanzdienst
Bernhard Gotto
Aufsatz
Veröffentlicht am: 
17. August 2020
Schwerpunktherausgeber: 
DOI: 
https://doi.org/10.15500/akm.17.08.2020

„Haben Sie gedient?“ ist eine ikonische Frage in Deutschland. In zwei der beißendsten Satiren über den Militarismus des wilhelminischen Deutschland, in Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ und in der durch die Darstellung Heinz Rühmanns berühmt gewordenen Verfilmung von Carl Zuckmayers „Hauptmann von Köpenick“ von 1956, definiert dieses Erkennungsmerkmal die soziale Positionierung der Protagonisten. Noch in der ironischen Brechung, mit der das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ anlässlich von 40 Jahren Zivildienst im Jahre 2001 diese Frage an eine Reihe prominenter Politiker richtete, lässt sich ablesen, welchen Wert der „Dienst“ lange Zeit für die Gesellschaft in Deutschland einnahm. Insbesondere in den 1960er und 1970er Jahren, als Sozialwissenschaftler einen generellen Trend weg von Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu Selbstentfaltungswerten ausmachten,

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erschien dieses Ideal zusehends anachronistisch. Vor diesem Hintergrund büßte der Dienstbegriff auch für das Leitbild des „Bürgers in Uniform“ seine Anschlussfähigkeit mehr und mehr ein, bis ihn die Bundeswehr seit Mitte der 1990er Jahre ins Zentrum ihrer Imagekampagnen rückte.

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Er suggeriert Selbstlosigkeit, Hingabe an ein höheres Ziel und die Bereitschaft zur Unterordnung.

Diese Renaissance des Dienstes zielte auf etwas anderes als die uns geläufige „Dienstleistermentalität“ ab. Dienst stand – dies zeigen die beiden eingangs zitierten Beispiele in aller Deutlichkeit – für eine innere Haltung, für ein Konzept der Selbstführung und der Weltwahrnehmung, das beides erschließt: das Militärische und das Verwaltungswesen. Denn auch in der Bürokratie geht es um Dienst: Um den Dienst am Staat, der lange Zeit den idealisierten Bezugspunkt für das Selbstverständnis der höheren Ministerialbürokratie darstellte.

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Diese Ähnlichkeit ist der Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen. Der Beitrag untersucht an einem Fallbeispiel, was „das Soldatische“ und „das Beamtentum“ ausmachte, welche Überschneidungen und welche Eigenheiten es jeweils gab. Ihm liegt eine kulturgeschichtliche Vorgehensweise zugrunde, daher werden weniger die strukturellen Gemeinsamkeiten oder Unterschiede in den Blick genommen als vielmehr Wahrnehmungen, symbolische Zeichen und handlungsleitende Wertvorstellungen, die sich im Alltag von Akteuren aufzeigen lassen. Der Beitrag zeigt Muster im Selbstverständnis, der Dienstauffassung und im Arbeitsalltag von Soldaten bzw. Verwaltungsbeamten auf. Die empirische Basis dieser Exploration bietet ein Protagonist, dessen Karriere gleich mehrmals zwischen Wehrmacht und Finanzverwaltung wechselte. Zunächst wird die Vita dieses Mannes skizziert. Daran schließen Überlegungen zu Gemeinsamkeiten in der Konstruktion des „Soldatischen“ bzw. des „Verwaltungswesens“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an. Im letzten Teil wird diskutiert, welche Forschungsfragen sich aus dieser kulturgeschichtlichen Perspektive ergeben.

1. Ludwig Haider als Offizier im Ersten Weltkrieg

Ludwig Haider wurde 1893 in Augsburg geboren.

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Er stammte aus gesicherten Verhältnissen, wenngleich die Familie nicht reich war. Sein Vater war Dekorationsmalermeister. Haiders Herkunft ist damit typisch für den im Vergleich zu Preußen starken bürgerlichen Einschlag des bayerischen Offizierskorps und die insgesamt geringere politische, gesellschaftliche und kulturelle Prägekraft des Militärischen.

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Er durchlief Volksschule und Gymnasium und meldete sich kurz nach seinem 19. Geburtstag im Januar 1913 zum einjährig-freiwilligen Militärdienst.

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In Friedenszeiten bedeutete dies die Ausbildung zum Reserveoffizier und eine gegenüber dem Regelwehrdienst verkürzte Zeit. Was dafür nötig war, brachte Haider mit: einen höheren Schulabschluss, gute Leumundszeugnisse und eine Erklärung seines Vaters, für Ausrüstung und Unterhalt des angehenden Soldaten zu sorgen.

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Dies war verhältnismäßig teuer. Je nach Waffengattung und Standort beliefen sich die Kosten auf 2.000 bis 3.600 Mark im Jahr.

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Nicht jeder, der diese formalen Voraussetzungen erfüllte, wurde zugelassen. Bewerber mussten eine Prüfung in den Fächern Deutsch, zwei Fremdsprachen, Geografie, Geschichte, deutsche Literatur, Mathematik und Naturwissenschaften bestehen. Eine Auswahlkommission überprüfte die Bewerber außerdem nach Kriterien, die frappierend den Maßstäben glichen, welche auch für die Bewertung von Soldaten und Beamten angelegt wurden. Sie beurteilten die Loyalität zur Staatsführung (d. h. damals in Bayern gegenüber dem Königshaus), den Lebenswandel insbesondere insofern er in der Öffentlichkeit sichtbar wurde, das Auftreten und die wirtschaftlichen Verhältnisse.

Haider erfüllte alle Anforderungen. 1913 erhielt er die Zulassung, wurde jedoch bis zum 1. Oktober 1916 von der Aushebung freigestellt, um sein kurz zuvor begonnenes Jurastudium vorher zu beenden.

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Diesen Plan durchkreuzte der Erste Weltkrieg.

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Anfang Februar 1915 wurde er als Einjährig-Freiwilliger eingezogen und bereits drei Monate später erlebte er seine ersten Gefechte. Noch im gleichen Jahr machte er als Infanterist in Russland die Schlacht bei Lemberg mit, 1916 kämpfte er in Frankreich, wo er vor Verdun und an der Somme an den bis dato blutigsten Schlachten auf den westlichen Kriegsschauplätzen teilnahm. Für persönliche Tapferkeit erhielt er im Juli 1916 das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. Er lernte 1917 den Stellungskrieg in den mittleren Vogesen kennen, wurde 1918 bei Missy verwundet und geriet in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er im April 1919 zurückkehrte. Nach anderthalb Jahren war der einfache Rekrut zum Leutnant der Reserve aufgestiegen und hatte Führungskommandos übernommen, zuletzt als Kompanieführer einer Maschinengewehrkompanie. Haiders Dienstzeugnisse waren glänzend. Seine Vorgesetzten beschrieben ihn als „besonders schneidigen“ Offizier, der energisch vor der Truppe auftrete, bescheiden und höflich gegenüber Vorgesetzten sei, die Vorschriften kenne, großen Fleiß und persönliche Tapferkeit an den Tag lege, eine gute Einwirkung auf Untergebene habe und bei seinen Kameraden beliebt sei.

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Haiders durchweg positiven Beurteilungen bilden das Anforderungsprofil für einen guten Offizier ab: Dieser hatte die innere Haltung, die er in seiner Ausbildung als das „Soldatische“ kennengelernt hatte, zu verinnerlichen und nach außen hin vorzuleben.

Am Ende des Krieges sah es jedoch nicht danach aus, dass Haider diese Qualitäten weiter unter Beweis stellen konnte, denn aufgrund seiner Kriegsverletzungen – Granatsplitter hatten sein Gesicht verwundet, eine Schussverletzung hatte Muskelschwund im linken Arm und Gefühllosigkeit in der linken Hand zurückgelassen – wurde er für dauerhaft feld- und garnisonsuntauglich erklärt.

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2. Beamter im Reichsfinanzdienst und in der Verwaltung der Luftwaffe

Haider nahm seine zivile Laufbahn wieder auf. Im Mai 1920 schloss er sein Studium ab, ein Jahr später wurde er mit summa cum laude zum Dr. der Volkswirtschaften promoviert. Seine Dissertationsschrift über die „Überfremdung der deutschen Wirtschaft“ wies ihn als Nationalisten reinsten Wassers aus. Er wütete darin gegen die „französischen Schieber“, die sich in den linksrheinischen Gebieten niedergelassen hätten, denunzierte die „Ostjuden“ als Hauptverantwortliche für das grassierende „Schieber- und Wuchertum“, prangerte die „Verwelschung des Saargebiets“ an und warnte davor, dass ganz Europa, insbesondere aber Deutschland zu einer „amerikanischen Kolonie“ herabgedrückt werde.

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Ludwig Haider, noch keine dreißig Jahre alt, richtete nun alle Aufmerksamkeit auf seine Verwaltungskarriere. Er sammelte fleißig Aktiva in der Währung der Bürokratie: hervorragende Prüfungsleistungen, Verwendungen in unterschiedlichen Arbeitsbereichen, Fachpublikationen und Zusatzqualifikationen.

1922 absolvierte er die Große Staatsprüfung mit einem exzellenten Ergebnis

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und entschied sich anschließend für den Reichsfinanzdienst.

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Seine berufliche Karriere führte ihn ab Februar 1923 über einige bayerische Finanzämter bereits 1925 an den Reichsfinanzhof in München. 1927/28 bezahlte ihm das Reichsfinanzministerium einen Fortbildungsaufenthalt in Berlin, wo er an der Handelshochschule Betriebswirtschaft studierte. Solche Investitionen galten als sicheres Indiz dafür, dass ein Beamter für die Verwendung im Reichsministerium vorgesehen war. Ab November 1928 war er als juristischer Hilfsarbeiter am Reichsfinanzhof ständiges Mitglied einer Kammer des höchsten deutschen Finanzgerichts. Zum 1. Oktober 1932 wechselte er zum Oberfinanzpräsidium München, also an die ranghöchste Behörde für Oberbayern in der Mittelinstanz der Reichsfinanzverwaltung. Dort bearbeitete er als Referent die Einheitsbewertung (also die fiskalische Wertbemessung von Grundstücken) und Vermögensteuer. Zugleich konnte er als Gruppenleiter für die „Osthilfe“ – ein millionenschweres Kreditprogramm für marode Landwirtschaftsgroßbetriebe an den Ostgrenzen des Reichs mit einem nationalistischen Einschlag – an sein Dissertationsthema anknüpfen.

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Haider publizierte in Fachzeitschriften

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und brachte alle Voraussetzungen für eine glänzende Karriere im Reichsfinanzdienst mit.

Dennoch wechselte er am 15. Juni 1936 vom Reichsfinanzdienst in die Verwaltung der Luftwaffe, genauer gesagt zum Luftkreiskommando V in München. Dadurch wurde Haider wieder zum Uniformträger. Die Luftfahrtverwaltung bot Haider bessere Chancen als der Reichsfinanzdienst, in dem er es in dreizehn Jahren bis zum Regierungsrat gebracht hatte – ein respektabler, aber kein spektakulärer Aufstieg. Ein halbes Jahr nach seinem Eintritt in die Luftwaffenverwaltung wurde Haider zum Oberregierungsrat befördert. Sein Hauptförderer war Generalmajor Hugo Sperrle, zu diesem Zeitpunkt Oberbefehlshaber der „Legion Condor“, unter dessen Protektion Haider von München aus unter anderem in die Logistik der deutschen Beteiligung am spanischen Bürgerkrieg eingebunden war.

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Seine Vorgesetzten waren wiederum sehr angetan von ihm. Sie lobten seine finanztechnischen und betriebswirtschaftlichen Fachkenntnisse und seinen Fleiß. Dazu kamen spezifische Eigenschaften, die ihn für seine neue Dienstumgebung qualifizierten, und zwar auf körperlicher und emotionaler Ebene. Der erste Befähigungsbericht beschrieb ihn als „große, kräftige Erscheinung mit militärischer Haltung“. Als ehemaliger Frontoffizier besitze er das „richtige Herz und Gefühl für die Truppe und ihre Bedürfnisse“. Er sei „willensstark und selbstbewusst in gutem Sinne und versteht es, mit klugem Takt übertriebene und unerfüllbare Forderungen auf ein durch Vorschriften und Möglichkeiten gegebenes Maß ohne Schärfe zu leiten“

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. Ganz augenscheinlich verband Haider das Beste aus beiden Welten – Organisationsgeschick, fachliche Expertise, Führungsfähigkeit und Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse und Erwartungen der Soldaten, die er zu versorgen hatte.

Haider konnte seine Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse im neuen Arbeitsumfeld optimal zur Geltung bringen. Sein weiterer Aufstieg war die logische Folge, zumal er durch seinen Eintritt in die NSDAP 1938 auch die notwendigen politischen Standards erfüllte.

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Im Juni 1939 übernahm er die Leitung der Verwaltung des Luftgaukommandos VII in München

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, drei Monate später erreichte er den Rang eines Oberstintendanten, was dem zivilen Ministerialrat entsprach. 1940 lobte ihn der Befehlshaber des Luftgaus, Generalleutnant Emil Zenetti, in den höchsten Tönen: „Ein sehr gewandter Verhandlungsleiter. Weitschauend und vorsorgend weiß er alle Bedürfnisse rechtzeitig sicherzustellen. Sehr ideenreich und selbstschöpferisch veranlagt, vermag er auch schwierige Lagen gewandt zu meistern. […] Seinem Beamtenkorps Vorbild und Beispiel. Hält auf Ordnung und strenge Dienstauffassung, ist aber auch um das Wohl seiner Untergebenen sehr fürsorglich bemüht. […] Steht eindeutig auf dem Boden des Nationalsozialismus. Ein ausgezeichneter, bewährter, truppennaher Verwaltungsbeamter, der seine Stelle sehr gut ausfüllt und zu weiterem Aufstieg unbedingt geeignet ist.“

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Am 1. Juli 1942 wurde er zum Generalintendanten ernannt. Noch vor seinem 50. Geburtstag entsprach sein Rang damit dem eines Ministerialdirigenten, also etwa eines Unterabteilungsleiters im Reichsfinanzministerium. Haiders Qualifikationen und Leistungen hätten ihm auch im Reichsfinanzdienst für höhere Positionen empfohlen. So ungewöhnlich schnell und steil konnte Haiders Karriereweg indessen nur verlaufen, weil er im richtigen Augenblick eine günstige Nische wählte. Allerdings erhielt seine Laufbahn im Krieg einen Knick.

Zunächst bewährte er sich beim Angriff auf Frankreich. Seine logistischen Leistungen beim Durchbruch durch die Maginot-Linie trugen ihm eine Auszeichnung ein.

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1942 übernahm er die Funktion des Intendanten für ganz Italien. Seine Dienststellenbezeichnungen wechselte mehrfach; zuletzt fungierte er als Verwaltungschef des Feldluftgaukommandos XXVIII. Nachdem sich die Alliierten in Italien festgesetzt hatten, wurde er im April 1944 zum Luftgau-Kommando Westfrankreich versetzt.

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Doch als die alliierten Streitkräfte auf den westlichen Kriegsschauplätzen vorrückten, versagte Haider in den Augen seiner Vorgesetzten. Seine dienstlichen Beurteilungen attestierten ihm organisatorische Versäumnisse. Sie zeichneten das Bild einer Führungskraft, die das Leistungsvermögen ihrer Untergebenen nicht auszuschöpfen vermochte, eines zurückgezogenen, eigenbrötlerischen Pedanten, der an der falschen Stelle sparte, sich nicht mehr bei der Truppe blicken ließ und körperliche Schwächen zeigte.

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Als Haider im Herbst 1944 nach einem Luftangriff auf den Flughafen bei Étampes rund 60 Kilometer südlich von Paris die anschließende Verlegung des Feldluftgaukommandos so schlecht organisierte, dass sie wie eine überstürzte Flucht aussah, drohten ihm ein Disziplinarverfahren oder sogar das Kriegsgericht. Zwar kam Haider mit einem schweren Verweis davon, doch sein Nimbus war dahin. Der Kommandierende General bilanzierte, Haider habe „in seiner Eigenschaft als Luftgauintendant in einem entscheidenden Augenblick der Kriegsführung versagt und sich demnach in dieser und in jeder anderen ähnlich gelagerten Stellung als unfähig erwiesen“.

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Haider stand auf dem Abstellgleis. Zunächst wurde er nach Stuttgart versetzt, doch die Luftwaffe wollte ihn nicht mehr. Daraufhin strebte Haider die Rückkehr in den Reichsfinanzdienst an.

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Im November 1944 ließ er sich beurlauben, Anfang 1945 wurde er in den Wartestand versetzt.

3. Die dritte Karriere: von der freien Wirtschaft in den bayerischen Staatsdienst

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches stilisierte sich Haider als Gegner des NS-Regimes. Die berufliche Sackgasse, in die er sich hineinmanövriert hatte, deutete er in einen seit langem betriebenen Absprung aus dem Dienst in der Luftwaffe um. Dabei argumentierte er, dass er sich den politischen und militärischen Zumutungen habe entziehen wollen.

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Außerdem entwarf Haider von sich das Bild eines rechtschaffenen, korrekten Beamten, um sich vom Verdacht des Militarismus zu befreien, den er durch die Mechanik des Entnazifizierungsverfahrens zu widerlegen hatte. Die „Persilscheine“, die Haider zu seiner Entlastung zusammentrug, porträtierten ihn als „Diener des Rechts“, der „im Sinne der Tradition guten alten bayerischen Behördenwesens“ auch in der Luftwaffenverwaltung stets „für Gerechtigkeit, Sauberkeit und Ehrlichkeit“ gesorgt habe. Dadurch präsentierte sich Haider als Gegenbild zum zeitgenössisch konstruierten Typus des arroganten, fachlich und leistungsmäßig mittelmäßigen, aber parteipolitisch exponierten Nazi-Offiziers. Zu solchen Vertretern habe Haider aus „innerster Ablehnung militaristischer Denk- und Lebensformen“ Distanz gehalten, sei aber mit ihnen wegen seiner „geraden, nüchternen Art“ häufig in Konflikt geraten.

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Dies wog mehr als sein exponierter Rang und die nur mühsam kaschierte Tatsache, dass er seine Stellung dazu benutzt hatte, Zwangsarbeiter in seinem Privatanwesen zu beschäftigen.

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Die Entnazifizierung verlief sehr glimpflich für ihn, da er von der Weihnachtsamnestie für Körperbeschädigte profitierte.

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Haider hatte zwar keine Kriegsverletzung, aber sechs Monate Internierung im Lager Moosburg an der Isar hatten eine alte Tuberkulose wieder aufbrechen lassen, sodass ihm ein befreundeter Arzt eine 60-prozentige Erwerbsminderung bescheinigte.

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Anfang Juli 1948 wurde sein Spruchkammerverfahren auf dieser Grundlage eingestellt.

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Haider galt damit ebenso wie Erwachsene, die nie der NSDAP angehört, keine politische, staatliche oder ökonomische Führungsposition eingenommen und nicht vom Nationalsozialismus profitiert hatten, als „nicht Betroffen“. Auf solche Weise mit einem politischen Unbedenklichkeitszertifikat und glänzenden fachlichen Referenzen ausgestattet, hätte es für ihn ein Leichtes sein müssen, in der Finanzverwaltung wieder Fuß zu fassen. Als er 1949 die ersten Schritte dahin unternahm, arbeitete er als Syndikus der Münchner Treuhand AG, hatte also seine berufliche Existenz bereits wieder absichern können.

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Doch das Finanzministerium zögerte. Der Personalreferent hatte Vorbehalte, einen ehemaligen Wehrmachtsbeamten im Generalsrang einzustellen, und sorgte sich wegen der Gerüchte, dass Haider privat den Soldaten sehr deutlich herausgekehrt und aus seiner ehemaligen dienstlichen Stellung Vorteile gezogen hätte.

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Zudem hatte Haider die Erwartung ausgesprochen, in seiner früheren Besoldungsstufe oder jedenfalls nicht deutlich schlechter verwendet zu werden, und das hätte bedeutet, ihn als Abteilungsleiter allen anderen langgedienten Spitzenbeamten des Ministeriums vor die Nase zu setzen. Aus diesen Gründen lehnte das Finanzministerium Haiders Bewerbung ab, obwohl er noch immer als glänzender Verwaltungsfachmann galt.

Doch Haider ließ sich nicht dauerhaft abwimmeln. Ende Januar 1951 nahm er einen Neuanlauf. Die Voraussetzungen dafür – Haider musste schriftlich bestätigen, dass er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, keine gerichtliche Strafe gegen ihn verhängt war, und dass er jederzeit bereit sei, „für die Zielsetzungen des durch die Verfassung gewährleisteten demokratisch-konstitutionellen Staates einzutreten“

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– waren nahezu ein Spiegelbild der Anforderungen an respektable Lebensführung und politische Loyalität, die er fast vierzig Jahre und drei politische Systemwechsel zuvor hatte erfüllen müssen, um die Laufbahn des Reserveoffiziers einzuschlagen. Zunächst stellte ihn das – zu diesem Zeitpunkt vom Sozialdemokraten Ludwig Zorn geleitete – bayerische Finanzministerium nur als Oberregierungsrat wieder ein. Das waren zwei Rangstufen und Gehaltsklassen niedriger als seine frühere Stellung als Generalintendant.

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Haider leitete ein Referat, das Staatsbürgschaften für Flüchtlingsbetriebe bearbeitete, also ein wirtschaftspolitisches Unterstützungsinstrument für die Integration der Heimatvertriebenen nach Bayern. In dieser Eigenschaft vertrat er das Finanzministerium auch im Verwaltungsrat der Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung.

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Doch das 131er-Gesetz stattete ihn mit einem Rechtsanspruch aus, eine Stellung wiederzuerlangen, die seiner letzten Verwendung entsprach.

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Aus diesem Grund beschrieb seine Karriere im Staatsdienst ein zweites Mal eine steile Aufwärtskurve: Seine erste Beförderung zum Regierungsdirektor erfolgte bereits nach elf Monaten, und noch ehe sein zweites Dienstjahr vorüber war, erklomm er die Spitze der Landesbodenkreditanstalt, des wichtigsten Wohnungsbaufinanzierungsinstruments der bayerischen Staatsregierung.

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Hinsichtlich seines Arbeitsgebietes schloss sich der Kreis, denn Haider knüpfte damit nahtlos an ein Aufgabenfeld an, das ihm aus seiner früheren Tätigkeit im Reichsfinanzdienst vertraut war. Finanziell stand er wieder so gut da wie als Generalintendant, was im bayerischen Finanzministerium in so kurzer Zeit für ihn kaum zu erreichen gewesen wäre. Tiefe Spuren hinterließ Haider während seiner dritten Karriere an seiner neuen Wirkungsstätte allerdings nicht. Zehn Monate, nachdem er sein neues Amt angetreten hatte, starb er am 11. November 1953, wenige Tage nach seinem 60. Geburtstag.

4. Treue: kulturelle Konstruktion eines auf den Dienstherrn orientierten Lebensentwurfs

Auf den ersten Blick erscheint Haider als „man for all seasons“, wie Lothar Gall den Bankier Hermann Josef Abs wegen dessen Fähigkeit bezeichnet hat, unter gegensätzlichen politischen Rahmenbedingungen Geschäftserfolg und Anerkennung zu akkumulieren.

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Dass Erfahrung und Expertise politisch kompromittierter Funktionseliten nach 1945 ihren Wert nicht verloren, war allerdings  die Regel.

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Lässt sich Haiders Fähigkeit, im Finanzdienst, als Wehrmachtsbeamter, in der freien Wirtschaft und als Chef eines staatlichen Kreditinstituts zu reüssieren, auf die strukturelle Ähnlichkeit dieser Tätigkeitsfelder zurückführen? Dafür spricht, dass Haider ab Anfang der 1930er Jahre durchgehend Manageraufgaben als Fachmann für Finanzierungen wahrnahm. Aus den Quellen lässt sich ablesen, dass ihm seine beruflichen Erfahrungen 1936 als Pluspunkt angerechnet wurden, während er 1949 zwar als fachlich kompetent, aber politisch möglicherweise bedenklich galt. Die spärlichen Hinweise, die sich auf seine Amtsführung erhalten haben, sagen weniger über Haiders Führungsstil, Verhandlungsgeschick und Organisationstalent aus, als über zeitgenössische Versatzstücke, die „das Militärische“ bzw. „das Beamtenmäßige“ konstruierten. So stilisierte er sich als „guter Beamter der alten Schule“, um sich vom Vorwurf des Militarismus reinzuwaschen, während seine Dienstzeugnisse ihn lange Zeit als wohlwollende, straffe Führernatur porträtierten, der seine Pflichten mit Blick für die Bedürfnisse der Truppe ohne bürokratische Kleinkariertheit versehe. Als sein Stern in der Luftwaffenverwaltung sank, warfen ihm seine Vorgesetzten hingegen Pedanterie vor. Seine Beurteilungen im bayerischen Finanzministerium lassen kaum auf genuin „soldatische“ Verhaltensweisen schließen, abgesehen von einem Eintrag, der ihm attestierte, Untergebene im Befehlston anzusprechen. Ganz offenbar kam Haider mit den Unterschieden in der Organisationskultur und den fachlichen Anforderungen seiner wechselnden Dienststellen gut zurecht, besser jedenfalls als kaufmännisch ausgebildete Quereinsteiger, die zur selben Zeit ins Finanzministerium stießen.

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Vergegenwärtigt man sich die Kriterien der dienstlichen Beurteilungen, die Haider in seinen unterschiedlichen Karrieren qualifizierten, so fallen große Gemeinsamkeiten zwischen seinen Arbeitgebern ins Auge, den staatlichen Großinstitutionen „Militär“ und „Verwaltung“. Ganz offensichtlich wiesen die Anforderungsprofile für Führungspositionen in Armee und Bürokratie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine erhebliche Schnittmenge auf (vgl.

Abbildung 1 ). Aus diesem Grund bereiteten Wechsel von dem einen in den anderen Bereich für gut ausgebildete und in die jeweilige Organisationskultur hineinsozialisierte Männer keine großen Anpassungsschwierigkeiten.

Abbildung

1 : Beurteilungskriterien für militärisches und administratives Führungspersonal in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (eigene Grafik). Alle Kriterien sind wörtlich oder sinngemäß den Dienstzeugnissen und Beurteilungen in den für diesen Beitrag ausgewerteten Personalakten entnommen.

Neben allgemeinen Qualifikationsmerkmalen wie Fleiß, Leistungsbereitschaft, Fachkenntnissen und tätigkeitsspezifischen Fertigkeiten verlangte der Dienst als Soldat und Beamter eine bestimmte Form der Selbstführung. Die unabdingbare Grundlage für eine erfolgreiche Karriere bildete die Loyalität zur jeweiligen Staatsführung. Die Position in der Hierarchie hatte sich in differenzierten Umgangsformen mit Untergebenen, Gleichgestellten und Vorgesetzten auszudrücken. Das Dienstverhältnis erheischte auch außerhalb der Arbeitszeit eine bestimmte Lebensführung. Die wichtigste Anforderung bestand in unbedingter Opferbereitschaft für den Dienstherrn. All diese Eigenschaften kondensieren in der kulturellen Konstruktion eines auf den Dienstherrn orientierten Lebensentwurfs. In dessen Mittelpunkt stand die Treue. Treue war als moralische Grundhaltung nicht an die Voraussetzung einer bestimmten sozialen Schichtzugehörigkeit gebunden. Sie konstituierte ein freiwilliges, auf wechselseitigem Vertrauen basierendes Verhältnis und brachte ein internalisiertes Verhaltensregulativ hervor.

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Die Bindung, welche durch diese Treue begründet wurde, ging weit über ein funktionales Arbeits- und Unterstellungsverhältnis hinaus. Sowohl der Soldat als auch der Beamte verpflichteten sich mit ihrer ganzen Person. Dabei machten sie zunächst ihren Körper zu einem fungiblen Instrument des Dienstes. Diese Dimension ist für den Soldaten evident, der seine körperliche Gesundheit und sein Leben riskierte. Die Körperlichkeit des Staatsdienstes trat weniger offenkundig zu Tage, spielte aber dennoch eine nicht minder bedeutsame Rolle.

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Die körperliche Eignung war eine Voraussetzung für die Einstellung, wie das Beispiel Haiders zeigt, und auch in den dienstlichen Beurteilungen wurde das körperliche Erscheinungsbild evaluiert. Vor allem aber gehörte zum Ethos des Verwaltungsdienstes, den eigenen Körper völlig den Dienstaufgaben zu unterwerfen. Dies zeigte sich regelmäßig in der Bereitschaft, oft weit über die geregelte Dienstzeit hinaus zu arbeiten, oder im Verleugnen oder Bagatellisieren von Krankheit und Dienstunfällen. Leitende Beamte rühmten sich geradezu, ihre körperliche Leistungsfähigkeit im Interesse des Dienstes auszubeuten und überzustrapazieren. Als ein Referatsleiter im bayerischen Finanzministerium 1932 ausrutschte, arbeitete er trotz großer Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit weiter und ging erst neun Tage später zum Arzt, der eine Sehnenzerrung und eine gebrochene Rippe diagnostizierte. Das hielt den Beamten allerdings nicht von seiner Arbeit ab, denn „in der Ausübung meines Dienstes erachte ich mich bis auf Weiteres nicht als behindert“.

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Das Beispiel zeigt, dass Beamte mit Soldaten körperlichen Selbstverleugnung und Selbstüberwindung gemein hatten, die gleichermaßen zum Ideal heroischer Männlichkeit zählten.

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Eine weitere Gemeinsamkeit bestand darin, dass der Dienstherr über Zeit und Ort des Einsatzes frei disponieren konnte. Soldaten wurden zu ihrem Einsatz oder zu einer neuen Verwendung „kommandiert“, Beamte hatten dort zu arbeiten, wohin sie ihre Behörde „versetzte“. Bereits diese Begrifflichkeiten illustrieren, wie selbstverständlich Beamte und Soldaten ihre Freizügigkeit dem Dienst unterordneten. Aus diesem Grund lernte beispielsweise ein junger Reserveleutnant, seinen ersten Sohn erst vier Wochen nach dessen Geburt im September 1918 kennen und konnte seiner Frau weder in den letzten Wochen der Schwangerschaft noch während des Wochenbetts beistehen, obwohl er zu dieser Zeit nicht im Feld stand.

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Derselbe Beamten, der 1932 trotz Rippenbruchs weitergearbeitet hatte, ließ sich wenige Jahre später anstandslos aus dem Urlaub zurückbeordern, als seine Kollegen die Arbeit während seiner Abwesenheit nicht bewältigen konnten.

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Diese Einstellung war genau das, was das Treueverhältnis verlangte: Nicht nur die Erholung im Urlaub hatte im Zweifelsfall hinter den Interessen des Dienstes zurückzustehen, sondern der Beamte sollte ebenso wie der Soldat seine persönlichen Bedürfnisse seinen Pflichten grundsätzlich unterordnen. In dieser Weise die Treue gehalten zu haben, diente als Argument, um eine Gegenleistung einzufordern: „Ich habe meine privaten Angelegenheiten gegenüber den dienstlichen wirklich vollkommen zurückgestellt und vernachlässigt“, begründete Haider einen lange aufgeschobenen Heimaturlaub.

[50]

Auf die engeren Familienangehörigen nahmen Beamte wie Soldaten dabei wenig Rücksicht. Darüber beklagte sich die Ehefrau eines Beamten, der jahrelang die Haushaltsabteilung des bayerischen Finanzministeriums geleitet hatte: „Sein Leben war nur Arbeit für den Staat, die Wünsche seiner Familie mussten – sehr zu unserem Leidwesen und Ärger – hinter ihr zurücktreten.“

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Dass selbst die nächsten Angehörigen hinter dem Staat nur die zweite Geige im Leben eines Beamten spielten, war die Kehrseite der Absicherung, die der Dienstherr dem Soldaten ebenso wie dem Beamten bot. Die materiellen Versorgungsansprüche waren ein zentraler Bestandteil des Dienstgehalts und sie schlossen die Familie des Empfängers ein. Die Altersabsicherung der Beamten bewegte sich auf einem hohen Niveau. Kindergeld und Hinterbliebenenversorgung waren zum Teil bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein sozialstaatliche Privilegien des öffentlichen Dienstes.

Solche Dispositionen erklären sicherlich die in der jüngeren Verwaltungsforschung immer wieder hervorgehobene Motivation und Leistungsbereitschaft von Verwaltungsangehörigen bzw. Wehrmachtssoldaten.

[52]

Ihr Engagement ging weit darüber hinaus, die Funktionsfähigkeit ihrer Apparate zu garantieren – „Dienst nach Vorschrift“ war für Offiziere und leitende Beamte ein Negativstereotyp, das an ihrer inneren Norm des Übertreffens vorbeiging.

[53]

Die ausgesprochen hohe Einsatzbereitschaft resultierte aus einem Merkmal, das Armee und Verwaltung gleichermaßen kennzeichnete: Sie waren als Sphären konstruiert, in denen jeder Einzelne unabhängig von Herkunft, Bekenntnis oder Vermögensstand es durch Leistung zu etwas bringen konnte. Dieses meritokratische Versprechen traf selbstverständlich (wie gerade das Beispiel von Haider zeigt) nicht zu bzw. war ausgesprochen voraussetzungsreich, dennoch wirkte es sehr anziehend auf ehrgeizige junge Männer. Ihnen bot der Staat in der Tat gute Aufstiegschancen, eine Lebensperspektive, die Sicherheit und Stabilität verhieß, und nicht zuletzt den Reiz, an der Ausübung von Macht teilzuhaben. Doch der Preis, den der Staat dafür verlangte, war hoch. Das ganze Leben musste dem Staat gewidmet und sogar untergeordnet werden. Die so oft beschworene „Opferbereitschaft“ der Soldaten und Beamten sprach aus gutem Grund ein religiöses Motiv an, denn der Lebensentwurf der Treue verabsolutierte, überhöhte und sakralisierte das Staatswesen zu der einzigen Instanz, die ihm Richtung geben und Sinn stiften konnte.

5. Fazit

„Armee“ und „Bürokratie“ besaßen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts viele strukturelle Gemeinsamkeiten wie zum Beispiel die Ausdifferenzierung der Laufbahnen, das Besoldungssystem, die horizontalen und vertikalen Organisationsebenen und die Kombination von Verantwortlichkeit und Gehorsamspflicht. Auch ihre Funktionsweise weist große Ähnlichkeiten auf: Beide folgten einer hierarchischen Funktionslogik; ihre Führungspositionen erforderten selbstständiges Handeln und Managementkompetenzen; neben einem dokumentierbaren Mindestmaß politischer Loyalität war fachliches Können das Kernkriterium für die Auswahl von Leitungspersonal. Diese Gemeinsamkeiten ermöglichten Übergänge von einem in den anderen Bereich ohne größere Anpassungsschwierigkeiten oder Abstoßungsreaktionen. Solche Parallelen waren kein Zufall. Sie entsprangen demselben Grundprinzip, das sich in Armee und Bürokratie gleichermaßen in einem auf den Dienstherrn orientierten Lebensentwurfs der Treue konkretisierte.

In vielerlei Hinsicht prägte sich dieser Lebensentwurf der Treue in einer Weise ein, die über individuelle Dispositionen hinausging. Väter gaben ihre Dienstauffassung an ihre Söhne weiter, die eine ähnliche Laufbahn einschlugen und sich gleichfalls dem Staat verpflichteten. Welche generationellen Folgen, welche Weiterungen für die kollektive Mentalität deutscher Männer solche Prägungen hervorbrachten, ist schwer einzuschätzen. Bisher hat die Forschung aus solchen Erkenntnissen heraus Antworten auf die Frage gesucht, wie die bereitwillige Beteiligung von Bürokraten und Soldaten an den Staatsverbrechen während der NS-Diktatur erklärt werden kann.

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Noch in die Selbstviktimisierungen von Soldaten und Beamten nach 1945 gruben „Treue“ und „Opferbereitschaft“ als Leitwerte einer gelungenen Existenz ihre markante Spur hinein. Tatsächlich gleichen sich die Selbstbilder weitgehend, Teil einer „sauberen“ Wehrmacht bzw. Verwaltung gewesen zu sein.

[55]

Nicht zuletzt dieses Ineinandergreifen von biografischer und institutioneller Glättung führte dazu, dass die Verantwortung staatlicher Instanzen und ihrer Führungseliten für die NS-Verbrechen lange Zeit aus dem kollektiven Bewusstsein ausgeblendet wurden.

[56]

Die Resonanz auf die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre ist dafür ein deutliches Indiz. Viele Deutsche maßen dem Staat als Garant einer guten Ordnung für die Gesellschaft und das Individuum eine ungebrochene Autorität zu.

[57]

Doch die Folgen eines so stark auf den Staat bezogenen Lebensentwurfs, den sich zehntausende Männer zu eigen machten, lassen sich nicht nur auf den Wandel von Staatlichkeit und Gesellschaftsbild beziehen. Selbstverständlich sind sie für den Wandel von Bundeswehr und Verwaltung als „lernende und verlernende Organisationen“ in der Demokratie von großer Bedeutung.

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Am wenigsten ausgelotet erscheint bislang die Frage zu sein, wie sich diese kollektive Formierung auf die Konstruktion eines guten „Selbst“ im 20. Jahrhundert auswirkte.

[59]

Die Spannung zwischen dem Staat als sinnstiftender Instanz für ein gelungenes Leben und den kulturellen Selbstvergewisserungspraktiken „hybrider Subjekte“

[60]

eröffnen in dieser Hinsicht ein weites Forschungsfeld.

 

Zitierempfehlung: Bernhard Gotto, Vom Barras in die Bürokratie. Eine Verwaltungskarriere zwischen Wehrmacht und bayerischem Finanzdienst, in: Themenschwerpunkt: Armee und Bürokratie. Organisationsgeschichtliche Perspektiven auf das Militärische im 20. Jahrhundert, hg. von Christoph Nübel, Portal Militärgeschichte, 17. August 2020, URL: https://www.portal-militaergeschichte.de/content/vom-barras-die-bürokratie (Bitte fügen Sie in Klammern das Datum des letzten Aufrufs dieser Seite hinzu).




[1]

Vgl. einführend aus zeitgeschichtlicher Perspektive Bernhard Dietz/Christoph Neumaier/Andreas Rödder (Hrsg.), Gab es den Wertewandel? Neue Forschungen zum gesellschaftlich-kulturellen Wandel seit den 1960er Jahren, München 2014.

[2]

Vgl. Dirk Koob, Deutsche Militärpolitik in den neunziger Jahren. Wie (selbst-)organisiert ist die Bundeswehr?, Marburg 1999, S. 92. Das Konzept der „inneren Führung“ verband indessen das Leitbild des Bürgers in Uniform mit einer Legitimation des Dienens im Sinne von „ethischen, rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Begründungen für soldatisches Handeln“. Vgl. Adrian Teetz, Rechenschaft vor ihresgleichen. Der „Staatsbürger in Uniform“ als kommunikatives Leitbild in der digitalen Mediengesellschaft, in: Heiner Möllers/Jörg Jacobs (Hrsg.), Bundeswehr und Medien. Ereignisse – Handlungsmuster – Mechanismen in jüngster Geschichte und heute, Baden-Baden 2019, S. 77–104, hier S. 85f.

[3]

Vgl. etwa Frieder Günther/Lutz Maeke, Unpolitischer Beamter versus „Berufsrevolutionär“. Traditionen, Ideen, Selbstverständnis, in: Frank Bösch/Andreas Wirsching (Hrsg.), Hüter der Ordnung. Die Innenministerien in Bonn und Ost-Berlin nach dem Nationalsozialismus, Göttingen 2018, S. 267–285, hier S. 268–271.

[4]

Vgl. zu den Rahmendaten seiner Karriere Karl Friedrich Hildebrand, Die Generale der deutschen Luftwaffe 1935–1945. Die militärischen Werdegänge der Flieger-, Flakartillerie-, Fallschirmjäger-, Luftnachrichten- und Ingenieur-Offiziere einschließlich der Ärzte, Richter, Intendanten und Ministerialbeamten im Generalsrang, Bd. 2, Osnabrück 1991, S. 18f.

[5]

Vgl. Werner K. Blessing, Disziplinierung und Qualifizierung. Zur kulturellen Bedeutung des Militärs im Bayern des 19. Jahrhunderts, in: Geschichte und Gesellschaft 17 (1991), S. 459–479; Marita Krauss, Herrschaftspraxis in Bayern und Preußen im 19. Jahrhundert. Ein historischer Vergleich, Frankfurt am Main, New York 1997; vgl. auch die ältere Untersuchung von Gottfried Brückner, Der Bürger als Bürgersoldat. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte des Bürgertums und der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Dargestellt an den Bürgermilitärinstitutionen der Königreiche Bayern und Hannover und des Großherzogtums Baden, Diss. Phil. Bonn 1968, insbesondere S. 95–116.

[6]

Bayerisches Hauptstaatsarchiv (künftig: BayHStA), Kriegsarchiv, OP 1448, Berechtigungsschein zum einjährig-freiwilligen Dienst für Ludwig Haider, 22.1.1913.

[7]

Die Zulassungsvoraussetzungen hatten sich nach 1871 dem preußischen Vorbild weitgehend angeglichen. Vgl. Lothar Mertens, Bildungsprivileg und Militärdienst im Kaiserreich. Die gesellschaftliche Bedeutung des Einjährig-Freiwilligen Militärdienstes für das deutsche Bildungsbürgertum, in: Bildung und Erziehung 44 (1990), S. 217–228, hier S. 220–224.

[8]

Hartmut John, Das Reserveoffizierkorps im Deutschen Kaiserreich 1890–1914. Ein sozialgeschichtlicher Beitrag zur Untersuchung der gesellschaftlichen Militarisierung im Wilhelminischen Deutschland, Frankfurt am Main, New York 1981, S. 56.

[9]

BayHStA, Kriegsarchiv, OP 1448, Berechtigungsschein zum einjährig-freiwilligen Dienst für Ludwig Haider, 22.1.1913.

[10]

Vgl. zu Haiders Verwendungen im Ersten Weltkrieg ebd., Personalbogen Ludwig Haider, 20.3.1920.

[11]

Ebd., Befähigungs-Zeugnis für Ludwig Haider, 22.2.1916; Beurteilung des Unteroffiziers und Offiziersaspiranten Ludwig Haider, 16.5.1916; Beurteilung Ludwig Haider, 29.11.1917 (daraus das wörtliche Zitat); Dienstleistungszeugnis Ludwig Haider, 3.5.1918.

[12]

Ebd., Versorgungsamt Augsburg an das Hauptversorgungsamt München, 25.11.1920. Ab März 1920 erhielt Haider eine Pension von rund 2.800 Mark jährlich für die Dauer von drei Jahren– eine Summe, welche die hohe Geldentwertung rasch aufzehrte.

[13]

Ludwig Haider, Die Überfremdung der deutschen Wirtschaft. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen Staatswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 1922, S. 17, 19, 106 u. 236. Das einzige erhaltene Exemplar der Dissertation befindet sich in der Universitätsbibliothek der LMU in München.

[14]

Haider war „Brucheinser“, hatte also eine Durchschnittsnote von besser als 2,0 erreicht, seine Notensumme betrug 56. Selbst wenn man Abzüge von der Notensumme wegen seines Kriegsdienstes an der Front berücksichtigt, war dies eine Spitzenbewertung.

[15]

Haiders Personalakte aus dieser Zeit ist nicht überliefert. Vgl. zu den Angaben über seine berufliche Karriere zwischen 1922 und 1936 BayHStA, MF 77158, Lebenslauf Ludwig Haider, 28.1.1951.

[16]

Das Osthilfeprogramm der Weimarer Reichsregierungen stellte ab 1928 mehrere hundert Millionen Reichsmark für Umschuldungen zugunsten der ostpreußischen Landwirtschaft bereit, um diese als „Bastion des Deutschtums“ an den Grenzen der infolge des Versailler Vertrags an Polen abgetretenen Gebiete zu stärken. Ein geringer Teil der Fördersummen floss auch nach Ostbayern, wo mehrere tausend Betriebe von den Reichshilfen profitierten. Vgl. zur Umsetzung des Programms die Vorgänge in BayHStA, MHIG 961 (Gewährung von Reichsmitteln zur Stärkung der Ostgrenzgebiete: Osthilfe, 1929–1931). Als Einführung Helmut Braun, Osthilfe, 1926–1937, publiziert am 05.02.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Osthilfe,_1926-1937 (9.12.2019).

[17]

Seit 1926 war er Bearbeiter des renommierten Soergel‘schen Jahrbuchs des Reichssteuerrechts. 1932 erstellte er mit anderen das Gesamtregister zum 21. bis 30. Band der Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs München, das 1933 erschien. 1935 verfasste er einen Kommentar zum Reichsbewertungsgesetz und Bodenschätzungsgesetz.

[18]

Der Personalreferent des bayerischen Finanzministeriums bezeichnete Haider nach 1945 sogar als „Intimus“ Sperrles, was sicherlich übertrieben war: BayHStA MF 77158, Matthias Metz an Ludwig Zorn, 20.9.1949. Die Logistik der NS-Intervention in den spanischen Bürgerkrieg wird von der Forschung als besonders bedeutsam hervorgehoben, ihre praktische Organisation liegt dabei noch weitgehend im Dunkeln. Vgl. Stefanie Schüler-Springorum, Krieg und Fliegen. Die Legion Condor im spanischen Bürgerkrieg, Paderborn 2010; Birgit Aschmann, „Treue Freunde…“? Westdeutschland und Spanien 1945–1963, Stuttgart 1999, S. 26–33.

[19]

Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg (künftig: BA-MA), Pers 6/146565, Befähigungsbericht über Regierungsrat Ludwig Haider, 23.10.1936.

[20]

Bereits zuvor hatte ihm die Gauleitung der NSDAP von München-Oberbayern die politische Zuverlässigkeit im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber bescheinigt; Bundesarchiv Berlin (künftig: BA), R 9361-II/352153, Politische Beurteilung von Ludwig Haider durch Gaupersonalamtsleiter Franz Reichinger, 11.2.1937. Haiders Eintrittsdatum wurde wie damals üblich auf den 1. Mai 1937 rückdatiert. Er zählte zu der großen Gruppe der „alten Opportunisten“ im öffentlichen Dienst, die die Lockerung der Mitgliedersperre 1937 aus Karrieregründen nutzten. Vgl. Kristine Khachatryan, Junge Kämpfer, alte Opportunisten und gar nicht so wenige Frauen: Eine Typologie der NSDAP-Mitglieder, in: Jürgen W. Falter (Hrsg.), Junge Kämpfer, alte Opportunisten. Die Mitglieder der NSDAP 1919–1945, Frankfurt am Main, New York 2016, S. 197–215, hier S. 204f., 211f.

[21]

Die Luftgaue deckten sich seit Oktober 1937 mit den Gebieten der Wehrkreise des Heeres. Dem Gebiet des Münchner Luftgaus VII war am 30. Juni 1938 das Gebiet des früheren Luftgaus V (Stuttgart) angegliedert worden. Haiders verwaltungsmäßige Zuständigkeit erstreckte sich also auf ganz Süddeutschland. Innerhalb des Luftgaukommandos unterstand Haider außer dem Kommandeur nur noch dem Chef des Stabes. Vgl. Hildebrand, Generale, Bd. 1, Osnabrück 1990, S. XXXVIII–XL.

[22]

BA-MA, Pers 6/146565, Beurteilung über Oberstintendant Ludwig Haider, 10.10.1940.

[23]

Haider erhielt die „Wiederholungsspange“ zum Eisernen Kreuz II. Klasse, das er im Ersten Weltkrieg erhalten hatte. Diese Auszeichnung hatte denselben Wert wie eine erstmalige Verleihung des Eisernen Kreuzes.

[24]

Vgl. zum Luftkrieg in Westeuropa einführend Claudia Baldoli/Andrew Knapp, Forgotten Blitzes. France and Italy under Allied Air Attack, 1940–1945, London 2012; Peter Lieb, Operation Overlord. Die Landung in der Normandie und die Befreiung Westeuropas, Bonn 2014.

[25]

Ebd., Beurteilung über Generalintendant Ludwig Haider, 10.5.1944. Die Beurteilung stammte vom General der Deutschen Luftwaffe beim Oberkommando der Königlich Italienischen Luftwaffe, General Alfred Mahnke.

[26]

Ebd., Oberbefehlshaber der Luftflotte Reich Generaloberst Hans-Jürgen Stumpff an den Chefintendanten beim OKL Dr. Richard Plagemann, 13.10.1944.

[27]

Vgl. ebd., Ludwig Haider an Reinhard Winterhoff (Verwaltungschef der Luftwaffe in Westfrankreich), 16.11.1944; BayHStA, MF 77158, Chef des Luftwaffenpersonalamts an Ludwig Haider, 18.1.1945 (Abschrift).

[28]

Haider hatte Ende 1944 die Überführung in den Truppensonderdienst abgelehnt, eine Laufbahn, die die Beamtenränge der verschiedenen Truppengattungen zusammenfasste. Nach 1945 gab er vor, dass diese Umstellung ihn vom Beamten zum Offizier gemacht und ihn durch einen Eid zum Gehorsam gegenüber Hitler verpflichtet hätte. Vgl. Staatsarchiv München (künftig: StAM), Spk München, Karton 608, Spruchkammerverfahren Ludwig Haider, Herbert Thomé an die Spruchkammer München VI, 18.12.1947. Thomé war Haiders Rechtsanwalt, der ihn in seinem Entnazifizierungsverfahren vertrat.

[29]

Alle Zitate aus ebd., Eidesstattliche Erklärung Kurt Eilles, 21.6.1946, und Eidesstattliche Erklärung Guido Adt, 1.8.1946. Beide Leumundszeugen waren Haider unmittelbar dienstlich unterstellt gewesen.

[30]

Sein Rechtsanwalt verstieg sich zu der Behauptung, die Zwangsarbeiter hätten lediglich „in ihrer Freizeit“ für Haider gearbeitet, der sie dafür mit Kleidung, Schuhen, Verpflegung und Lebensmitteln versorgt habe. StAM, Spk München, Karton 608, Spruchkammerverfahren Ludwig Haider, Herbert Thomé an die Spruchkammer München VI, 18.12.1947.

[31]

Diese Regelung sollte ursprünglich nur für sozial Schwache und politisch wenig Belastete gelten. Tatsächlich führte die Amnestie dazu, dass knapp eine Million Fälle – das waren mehr als die Hälfte aller angängigen Verfahren in Bayern – eingestellt wurden. Vgl. Lutz Niethammer, Entnazifizierung in Bayern. Säuberung und Rehabilitierung unter amerikanischer Besatzung, Frankfurt am Main 1972, S. 436–441.

[32]

StAM, Spk München Karton 608, Spruchkammerverfahren Ludwig Haider, Ärztliches Zeugnis Sanitätsrat Dr. Otto Beer über Ludwig Haider, 4.7.1948. Langfristige Schäden trug Haider nicht davon, denn das amtsärztliche Zeugnis, das er 1951 bei seiner erneuten Verbeamtung vorlegen musste, attestierte ihm außer leichtem Übergewicht keine gesundheitlichen Einschränkungen.

[33]

Ebd., Spruchkammer München VI an Ludwig Haider, 5.7.1948.

[34]

BayHStA, MF 77158, Ludwig Haider an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, 23.8.1949.

[35]

Ebd., Matthias Metz an Richard Ringelmann (Ministerialdirektor im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen), 20.9.1949.

[36]

Ebd., Erklärung Ludwig Haider, 21.3.1951

[37]

Als Generalintendant war Haider in die Besoldungsstufe B6 eingruppiert, dies entsprach der Bezahlung eines Ministerialdirigenten. Eine seiner früheren Verwendung adäquate Besoldung erreichte Haider später als Präsident der Landesbodenkreditanstalt. Mit einem Jahresgehalt von rund 18.000 DM gehörte er zu den Spitzenverdienern der bayerischen Landesverwaltung.

[38]

Zur Frühzeit der Landesanstalt für Aufbaufinanzierung vgl. Richard Winkler, Die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung 1951–1964, in: Christoph Daxelmüller/Stefan Kummer/Wolfgang Reinicke (Hrsg.), Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Aufsätze zur Bayerischen Landesausstellung 2009, Augsburg 2009, S. 160–171.

[39]

Vgl. zum 131er-Gesetz grundlegend Udo Wengst, Beamtentum zwischen Reform und Tradition. Beamtengesetzgebung in der Gründungsphase der Bundesrepublik Deutschland 1948–1953, Düsseldorf 1988, S. 151–235. Die überragende Bedeutung des 131er-Gesetzes für die Kollektiventlastung der Führungseliten in Staatsbürokratie und Wehrmacht unterstreicht Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1996, S. 69–100.

[40]

Diese Ernennung war die zweite Beförderung innerhalb von zwölf Monaten, was nach den damals in Bayern gültigen Laufbahnvorschriften unzulässig war. Für die sogenannten 131er galten jedoch Ausnahmeregelungen. Zur Landesbodenkreditanstalt vgl. Johannes Bähr, Bankenkrise, Drittes Reich und Nachkriegszeit 1930–1960, in: ders./Axel Drecoll/Bernhard Gotto, Die Geschichte der BayernLB, München 2009, S. 119–209, hier S. 198–205.

[41]

Vgl. Lothar Gall, A man for all seasons? Hermann Josef Abs im Dritten Reich, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 43 (1998), S. 123–175.

[42]

Vgl einführend Wilfried Loth/Bernd-A. Rusinek (Hrsg.), Verwandlungspolitik. NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, Frankfurt am Main, New York 1998;  Norbert Frei (Hrsg.), Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945, Frankfurt am Main, New York 2001; die neuere Forschung resümieren Stefan Creuzberger/Dominik Geppert, Die Ämter und ihre Vergangenheit. Eine Zwischenbilanz, in: dies. (Hrsg.), Die Ämter und ihre Vergangenheit. Ministerien und Behörden im geteilten Deutschland 1949–1972, Bonn 2018, S. 183–199, hier S. 192–195.

[43]

Vgl. BayHStA, MF 77278, Befähigungsbericht über Alexander Jauch, 22.9.1951.

[44]

Vgl. Ute Frevert/Ulrich Schreiterer, Treue – Ansichten des 19. Jahrhunderts, in: Manfred Hettling/Stefan-Ludwig Hoffmann (Hrsg.), Der bürgerliche Wertehimmel. Innenansichten des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2000, S. 217–256, hier S. 220–222.

[45]

Vgl. dazu anregend Peter-Paul Bänziger, Fordistische Körper in der Geschichte des 20. Jahrhunderts – eine Skizze, in: Body Politics 1 (2013), S. 11–40.

[46]

BayHStA, MF 77421, Konrad Lenz an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, 11.1.1932.

[47]

Vgl. dazu René Schilling, „Kriegshelden“. Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813–1945, Paderborn 2002. Zum Topos körperlicher Überlegenheit und dem Zurückdrängen individuellen Freiheitsstrebens zugunsten des Einübens von Disziplin vgl. ebd., S. 179–182, 195–197. Wie wirkmächtig solche Topoi waren, zeigte sich auch in der Stilisierung von Invalidität zum „heroischen“ Opfer für die Nation. Vgl. Sabine Kienitz, Beschädigte Helden. Kriegsinvalidität und Körperbilder 1914–1923, Paderborn 2008, S. 81. Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Prägekraft derartiger Männlichkeitsideale bietet Martin Dröge, Männlichkeit und „Volksgemeinschaft“. Der westfälische Landeshauptmann Karl Friedrich Kolbow (1899–1945). Biographie eines NS-Täters, Paderborn 2015.

[48]

BayHStA, MF 76910, Auszug aus der Kriegs-Rangliste für Martin Bittel, Juli 1920.

[49]

BayHStA, MF 77421, Richard Ringelmann an Konrad Lenz, 5.8.1939.

[50]

BA-MA, Pers 6/146565, Ludwig Haider an Reinhard Winterhoff, 16.11.1944.

[51]

BayHStA, MF 76913, Thea Blum an Eugen Emnet, 22.3.1949. Dass sich die Ehefrau eines Beamten bei dessen Behörde beschwerte, war höchst ungewöhnlich.

[52]

Vgl. Christiane Kuller, „Kämpfende Verwaltung“. Bürokratie im NS-Staat, in: Dietmar Süß/Winfried Süß (Hrsg.), Das „Dritte Reich“. Eine Einführung, München 2008, S. 227-245; Sönke Neitzel/Harald Welzer, Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben, Frankfurt am Main 2011, S. 299–306.

[53]

Dies ging so weit, dass die reine Pflichterfüllung zum Arbeitskampfmittel werden konnte. Vgl. Josef Isensee, Dienst nach Vorschrift als vorschriftswidriger Dienst. Verwaltungsrechtliche Betrachtungen zu einem Streiksurrogat der Beamten, in: Juristenzeitung 26 (1971), S. 73–80; Walter Imroll, Gesetzliche Maßnahmen gegen Beamten-,,Bummelstreiks“, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 7 (1974), S. 279–283.

[54]

Vgl. Johannes Hürter, Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42, München 2006; Christiane Kuller, Bürokratie und Verbrechen. Antisemitische Finanzpolitik und Verwaltungspraxis im nationalsozialistischen Deutschland, München 2013. Aus einer wissensgeschichtlichen Perspektive Frieder Günther, Denken vom Staat her. Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949–1970, München 2004. Anregend und skeptisch zugleich: Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 2000, S. 475–479.

[55]

Vgl. Jens Westemeier (Hrsg.), „So war der deutsche Landser…“ Das populäre Bild der Wehrmacht, Paderborn 2019; Uwe Lohalm, „…anständig und aufopferungsbereit“. Öffentlicher Dienst und Nationalsozialismus in Hamburg 1933 bis 1945, Hamburg 2001; Bernhard Gotto, Die Erfindung eines „anständigen Nationalsozialismus“. Vergangenheitspolitik der schwäbischen Verwaltungseliten in der Nachkriegszeit, in: Peter Fassl (Hrsg.), Das Kriegsende in Schwaben. Wissenschaftliche Tagung der Heimatpflege des Bezirks Schwaben und der Schwäbischen Forschungsgesellschaft am 8./9. April 2005, Augsburg 2006, S. 263–283.

[56]

Vgl. dazu Hanne Leßau, Entnazifizierungsgeschichten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit in der frühen Nachkriegszeit, Göttingen 2020, insbesondere S. 234–267.

[57]

Vgl. Paul Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft. Selbstentwurf und Selbstbeschreibung im 20. Jahrhundert, München 2000, S. 377–381.

[58]

Vgl. zu diesem Ansatz Wolfgang Seibel, Verwaltung verstehen. Eine theoriegeschichtliche Einführung, Berlin 2017, S. 102–109; für die Bundeswehr vgl. beispielsweise Frank Nägler, Der gewollte Soldat und sein Wandel. Personelle Rüstung und Innere Führung in den Aufbaujahren der Bundeswehr 1956 bis 1964/65, München 2010.

[59]

Vgl. dazu Thomas Alkemeyer/Gunilla Budde/Dagmar Freist (Hrsg.), Selbst-Bildungen. Soziale und kulturelle Praktiken der Subjektivierung, Bielefeld 2013; Pascal Eitler, Zeitgeschichte des Selbst. Therapeutisierung – Politisierung – Emotionalisierung, Bielefeld 2015.

[60]

Vgl. Andreas Reckwitz, Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne, Weilerswist 2006.

Abbildung 1: Beurteilungskriterien für militärisches und administratives Führungspersonal in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (eigene Grafik). Alle Kriterien sind wörtlich oder sinngemäß den Dienst-zeugnissen und Beurteilungen in den für diesen Beitrag ausgewerteten Personalakten entnommen.
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