Krank vom Krieg. Umgangsweisen und kulturelle Deutungsmuster eines Zusammenhangs von der Antike bis zur Gegenwart

Fachtagung des Arbeitskreises Militärgeschichte e.V. in Kooperation mit dem Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen
Datum: 
Donnerstag, 26. September 2019 bis Samstag, 28. September 2019
Ort: 
Aachen
Deadline: 
Dienstag, 31. Juli 2018

 Veranstalter: Gundula Gahlen (FU Berlin) / Dominik Groß (RWTH Aachen) / Ulrike Ludwig (GU Frankfurt am Main) / Mathias Schmidt (RWTH Aachen) / Jens Westemeier (RWTH Aachen)

 

Krieg tötet nicht nur, er macht auch krank. Das Erleben und Durchleben des Kampfgeschehens geht mit einer hohen physischen und psychischen Belastung, der Konfrontation mit Gewalt, Tod und Verwundung einher. Hinzu kommen Hunger und Seuchen als stete Begleiter kriegerischer Auseinandersetzungen. Dabei sind die kriegsbedingten Krankheiten einem deutlichen Wandel unterworfen. Zurückzuführen ist dies nicht allein auf das sich verändernde Kriegswesen, sondern ebenso auf variierende kulturelle Deutungsmuster dessen, was in einem bestimmten Kontext überhaupt als Krankheit angesehen bzw. definiert wurde. Krankheiten sind und waren keine rein körperbasierten, anthropologisch-invarianten Phänomene, sondern immer auch getragen von sozialen und kulturellen Zuschreibungen und Kontextualisierungen.

Die Verbindung von Krieg und Krankheit und ihre Wandlungen wurde bisher kaum im zeitlichen Längsschnitt vergleichend untersucht. Das Anliegen der Tagung ist es daher, ein Forum für aktuelle Forschungen zum Thema zu bieten und die Möglichkeiten und Grenzen einer Geschichte des Zusammenhangs von Krieg und Krankheit auszuloten. Im Mittelpunkt stehen dabei all jene als psychische und/oder physische Erkrankung etikettierte und verhandelte Phänomene, deren Auftreten von den Zeitgenossen mit dem Krieg in Verbindung gebracht wurden, egal ob diese als ‚Kriegskrankheiten‘ i.e.S. verstanden wurden (d.h. als nur oder doch vorrangig durch das Miterleben des Krieges bedingte Erkrankung, wie etwa im Fall von ‚Zitterern‘ oder Verletzungen), oder als typische Begleiterscheinung von Kriegen (z.B. Seuchen). Wir hoffen, in der gemeinsamen Diskussion über Disziplinengrenzen hinweg Kontinuitäten, Zäsuren und Wandlungsprozesse herauszuarbeiten und im Ergebnis neue Perspektiven auf den Zusammenhang von Krieg und Krankheit zu entwickeln.

Um die gemeinsame Diskussion fokussieren und bündeln zu können, erbitten wir Beiträge zu folgenden drei Themenfeldern:

(1) Erstens fragen wir nach Begrifflichkeiten und Rahmungen, Möglichkeiten und Grenzen der Kommunikation über den Zusammenhang von Krieg und Krankheit im zeitlichen Längsschnitt. Statt dem Reiz retrospektiver Diagnosen zu erliegen, gilt es kulturelle und damit immer auch zeitgebundene Bedingungen von Krankheit und eines Sprechens über Kriegskrankheit deutlich zu machen und vergleichend zu diskutieren. Welche kulturellen Codierungen, symbolischen Überformungen, mentalitätsgeschichtlichen Fundierungen und diskursiven Zusammenhänge lassen sich dabei erkennen? Wie wurden krankheitsbedingte Empfindungen, Symptome und Verhaltensweisen in welchen Kontexten beschrieben, gedeutet und umgedeutet? Welches waren jeweils die Grenzen öffentlicher Sag- und Zeigbarkeit von Kriegskrankheit? Wann und wie veränderten sich diese Grenzen und warum? Wie unterschieden sich die Semantiken in verschiedenen historischen Kontexten und kulturellen „Resonanzräumen“?

(2) Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Frage, welche Bedeutung der Faktor Krankheit für die (militärischen und zivilen) Kriegsteilnehmer hatte. Wie beeinflussten die Angst vor oder das Durchstehen von Krankheiten das Erwarten, Erleben und Erinnern von Krieg? Wann wurde die Angst vor Krankheiten zum lähmenden und störenden Faktor für die Kriegsbereitschaft? Welche Formen von Selbsthilfe oder professionellen Hilfsmaßnahmen kamen zum Einsatz, um im Vorfeld oder während des Krieges die Kriegsteilnehmer vor Krankheiten zu schützen oder die Gesundheit wiederherzustellen? Wie wurde das Erleiden von Krankheiten, aber auch ihre Heilung erlebt und erinnert? In diesem Zusammenhang ist schließlich die Frage interessant, welche langfristigen Nachwirkungen Kriegskrankheiten besaßen. Denkbar sind hier etwa Beiträge, die den Stellenwert von Krankheiten in der individuellen und kollektiven Erinnerung an den Krieg untersuchen. Willkommen sind ebenso Beiträge, in denen der gesellschaftliche Umgang mit Personen analysiert wird, die unter chronischen, kriegsbedingt ,erworbenen‘ Krankheiten litten.

(3) Drittens widmet sich die Tagung dem Zusammenhang von Erkrankung und Verwundung, Rettung und Heilung. Hierbei richtet sich der Blick auf die medizinische Versorgung im Militär, aber auch auf magische oder religiöse Heil(ung)sangebote. Wie entwickelte sich das Sanitäts- und Lazarettwesen und in welchem Verhältnis stand es zu alternativen Heil(ung)sangeboten? Welche Auswirkungen hatten Kriege als ‚medizinische Laboratorien‘ auf die Entwicklung der medizinischen Fächer und des ärztlichen Standes? Und welche Selbst- und Fremdbilder pflegten Heiler, Ärzte und Pflegekräfte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe, die sowohl als ‚Retter‘ wie auch als Instrumente der Kriegsführung tätig waren?

Wir begrüßen Beiträge aus verschiedenen Epochen mit einem kriegs- und militär- und/oder einem medizinhistorischen Hintergrund. Neben empirischen Fallstudien sind auch stärker theoretisch ausgerichtete Beiträge erwünscht, die die Potenziale verschiedener methodisch-theoretischer Ansätze und Konzepte oder auch eines zeitlich übergreifenden und vergleichenden Zugriffs auf das Themenfeld aufzeigen.

Bitte schicken Sie ein Exposé Ihres Beitrags im Umfang von maximal einer Seite samt biobibliografischen Informationen (max. 2 Seiten) bis zum 31. Juli 2018 an Gundula Gahlen (gundula.gahlen@fu-berlin.de).

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War and Illness: Experiences and Patterns of Cultural Interpretation from Antiquity to the Present

 

Organized by Arbeitskreis Militärgeschichte e.V. in cooperation with the Institute for the History, Theory, and Ethics of Medicine at the Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen.

Organizing committee: Gundula Gahlen (FU Berlin) / Dominik Groß (RWTH Aachen) / Ulrike Ludwig (GU Frankfurt am Main) / Mathias Schmidt (RWTH Aachen) / Jens Westemeier (RWTH Aachen)

 

Location: Aachen

Date: Thursday, 26 September–Saturday, 28 September 2019

 

War brings not only death, but also illness. The experience of battle and the confrontation with violence, death, and injury take a heavy physical and psychological toll. Hunger and epidemic are conflict’s constant companions. Yet the illnesses that follow from war have been subject to significant change. This is due not only to the continually changing nature of war, but also to culturally varying definitions of illness. Illnesses have never been purely bodily, anthropologically stable phenomena, but always conditioned by social and cultural values and contextualizations.

The link between war and illness has rarely been comparatively investigated across historical periods. This conference thus seeks to offer a forum for current research on the subject and to sound out its limits and possibilities. It considers all physical or psychological phenomena that were labeled or treated as illnesses, and that were believed to be connected to war, whether they were understood as ‘war illnesses’ in a strict sense (e.g., as the result of the experience of war, as in the case of shell shock or war wounds) or as common concomitants of war (e.g. epidemics). We hope, in the course of multi- and interdisciplinary discussions, to tease out continuities, ruptures, and shifts in this history, as well as to develop new perspectives on the connection between war and illness.

In order to focus and structure the discussion, we ask for contributions in the following three thematic areas:

(1)   Concepts and frames, limits and possibilities of communication about war and illness across time. Rather than attempt to retroactively diagnose, we wish to illuminate and compare culturally and historically determined conditions of illness and the language used to describe them. Which cultural codes, symbolic transformations, mental-historical foundations, and discursive contexts can be identified? How and in what contexts were the sensations, symptoms, and behaviors of illness described, interpreted, and re-interpreted? What were the limits of public utterances on and demonstrations of illness? When and how did these limits change, and why? How does the language around illness differ across historical and cultural contexts? 

(2)   The significance of illness to the (military and civilian) participants of war. How did the fear or endurance of illness influence the expectations, experience, and memory of war? When did fear cripple or disrupt the readiness for war? What forms of self- and professional help were employed to protect participants either before or during the war, or to restore their health afterwards? How was the suffering and treatment of illness experienced and remembered? In this context, the question of the long-term effects of war illnesses is also interesting. Papers investigating the role of illness in individual and collective memories of war would be welcome, as would papers analyzing societal approaches to people who suffered from chronic illnesses ‘acquired’ during war.

(3)   Connections between illness and injury, salvation and healing. This includes considerations of medical care in the military, but also magical or religious methods of healing. How did sanitary conditions and military hospitals develop, and what was their relationship to alternative medicines? What impact did war have as a ‘medical laboratory’ on the development of medicine and the position of doctors? And what self-image and reputation did healers, doctors, caregivers, and other medical professionals – who served both as ‘saviors’ and as instruments of war – cultivate?

We welcome papers on a variety of eras with a military and/or medical-historical focus. In addition to empirical case studies, we also strongly encourage more theoretically oriented papers that demonstrate the potential of different methodological-theoretical approaches and concepts, or thematic comparative studies spanning multiple historical periods.

Please send proposals (up to one page) and biographical information (up to two pages) to Gundula Gahlen (gundula.gahlen@fu-berlin.de) by 31 July 2018.